In biologischen Ökosystemen wie Wäldern findet sich eine Vielzahl symbiotischer Beziehungen. Pflanzen, Tiere, Pilze fördern und ergänzen sich gegenseitig zu aller Nutzen. Analog dazu können auch in digitalisierten Wirtschaftsräumen komplexe Wertschöpfungsstrukturen entstehen, in denen die einzelnen Akteure gegenseitig voneinander profitieren.

Unter einem Datenökosystem versteht man eine dezentrale Koordinationsform zwischen Organisationen und Individuen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, sei es der Datenaustausch oder die Bereitstellung von Produkten oder Dienstleistungen, wobei komplementäre Fähigkeiten und Kompetenzen insgesamt verstärkend wirken. Was sind die Vorteile für ein Unternehmen Teil eines dezentral organisierten Datenökosystems zu sein?

Besonders für kleine und mittelständische Unternehmen bietet ein Datenökosystem die Chance, schnell und einfach auf geteilte Ressourcen (z.B. leistungsstarke Infrastrukturen oder KI-Dienstleistungen) zuzugreifen und Daten mit Kooperationspartnern zu verknüpfen, um die notwendige Datenmenge für datengetriebene Analysen zu generieren.

Rollen und Akteure in einem Datenökosystem.
Rollen und Akteure in einem Datenökosystem. (Quelle: Data Market Austria)

 

Vielversprechende Praxisbeispiele finden sich im Bereich der Industrie 4.0, Smart Living, der Finanzwirtschaft, der öffentlichen Verwaltung oder im Gesundheitsbereich. Zum Beispiel werden bei regelmäßigen Untersuchungen von Medizintechnikprodukten Daten gesammelt, die nicht nur für die Hersteller der Produkte relevant sind, sondern auch für Ärztinnen und Ärzte, Krankenversicherungen oder für Forschungseinrichtungen. Ein Datenökosystem ermöglicht es, dass alle die Daten gemeinsam nutzen können. Und es überwindet Grenzen wie unterschiedliche und unstrukturierte Datenformate oder Regularien und Gesetze. Zudem bietet es Speicher- und Rechenleistung sowie KI-Dienstleistungen (z.B., Cluster-Analysen um spezifische Nutzergruppen zu identifizieren). Mit modularen, verteilten Diensten können Datenverarbeitung und -speicherung getrennt werden. Somit ist es möglich, dass die sensiblen, personenbezogenen Daten im Krankenhaus gespeichert sind, während faktisch anonymisierte Daten zur Analyse (z.B., an Krankenversicherungen) weitergegeben werden können.

Wieso aber zögern dennoch so viele KMU, ML-Methoden anzuwenden oder einem Ökosystem beizutreten?

Showstopper der Datenökosysteme: Geld, Ressourcen und Kompetenzen

Der Grund für dieses Zögern ist einfach: Die meisten KMU sind schlicht und einfach noch nicht bereit für den Einsatz von KI-Technologien. Bei Analysen zu einem »Daten Readiness Score« wurden 84% der deutschen Unternehmen als Einsteiger identifiziert. Es fehlt an den zeitlichen und finanziellen Mitteln um

1) eine geeignete technische Infrastruktur zu implementieren,

2) Änderungen in Unternehmensprozessen durchzuführen, (z.B. Daten digital, systematisch und strukturiert in geeigneter Form umwandeln und erheben) oder Konzepte zu datenschutzrechtliche Regelungen integrieren) sowie um

3) Kompetenzen zu Machine Learning (ML) im Unternehmen aufzubauen.

In Kooperation mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen möchte die Politik mit dem International Data Space und GAIA-X eine technische Infrastruktur für deutsch-europäische Datenökosysteme mit dem International Data Space und GAIA-X zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist es noch ein weiter Weg bis zu einem etablierten und bevölkerten Datenökosystem. Die Vision des Datenökosystems im Sinne von »Einer für Alle und Alle für Einen« birgt so einige Tücken.

Unternehmen, die bereits über einen »Datenschatz« verfügen (z.B. aus der Produktion- und Fertigung) fehlt es an konkreten Lösungen für die technischen und juristischen Herausforderungen von Datenökosystemen. Diese Herausforderungen umfassen einerseits die ganzheitliche Integration und Verknüpfung der Daten sowie die Datensicherheit (technische Herausforderung) und andererseits notwendigen Regelungen zur gemeinsamen Datennutzung bei Wahrung der Interessen und der Datensouveränität (u.a., die Übertragung des Eigentums- und Besitzbegriffs auf Daten; juristische Herausforderung).

Eine weitere besondere Herausforderung für deutsch-europäische Datenökosysteme sind bereits etablierte internationale Konkurrenten aus Amerika und China wie Microsoft, Google, Amazon oder auch AliBaba. Für deutsche Unternehmen, die bereits internationale Cloud-Anbieter nutzen, ist ein Wechsel in ein deutsch-europäisches Datenökosystem mit hohen Transferkosten verbunden. Allerdings können das in Europa verankerte Verständnis von Datensouveränität und die Regelung zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bei diesen international verorteten Global Player nicht gewährleistet werden.

Einstieg in Ihr sicheres Datenökosystem im europäischen Rahmen

Wieso nun als Unternehmen in ein deutsch-europäisches Ökosystem eintreten?

Die innovativen KI-Lösungen und Methoden des Maschinellen Lernens ermöglichen neue Formen daten-getriebener Entscheidungen, Prozessoptimierung durch verbessertes Prozessverständnis und somit die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Produktivitätssteigerung. Sie können als Unternehmen von den Leistungen und Ressourcen des Ökosystems profitieren, ohne dass Sie sich und Ihre Daten in die Hände internationaler Global Player begeben.

Doch was ist der erste Schritt in ein Ökosystem?

Um die Deadlock-Situation zu überwinden und besonders KMU den Einstieg in ein Datenökosystem zu erleichtern, kann das Fraunhofer IAO eine Motorfunktion einnehmen. In KI-Readiness Checks werden Unternehmen hinsichtlich ihres Digitalisierungsgrads, der Datenlage und vorhandenen Infrastruktur geprüft und potenzielle KI-Anwendungen identifiziert. Im Rahmen des KI-Fortschrittszentrums, einer vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Initiative, werden innovative KI-Lösungen für Unternehmen in Exploring Projects erarbeitet. In dem vom Fraunhofer ISST und IAO verfassten Positionspapier »Ökosysteme für Daten und künstliche Intelligenz« werden weitere von Fraunhofer-Instituten entwickelten Anwendungsfälle vorgestellt und ihr Potenzial für Datenökosysteme erläutert. In Zusammenarbeit mit den Unternehmen werden neue Konzepte zur Datensouveränität, zur gemeinsamen Ressourcennutzung und zu neuen Geschäftsmodellen entwickelt.

Trotz der Herausforderungen steckt viel Innovationspotenzial in deutschen Datenschätzen, der intra- und interdisziplinär vernetzten Wirtschaft und KI-Forschungshochburgen wie z.B. Max-Planck-Instituten und Universitäten und sogenannten »hidden champions« (Unternehmen, u.a., KMU und Start-Up, die bereits fortschrittliche, datengetriebene Lösungen entwickelt haben). Damit sich ein dezentral-organisiertes Datenökosystem in der Zukunft etablieren kann, ist eine Garantie für Sicherheit bei Datenspeicherung und -transfer, für die Verknüpfbarkeit verschiedener Daten sowie für fairen Wettbewerb, Datensouveränität und Interessenswahrung der einzelnen Akteure essenziell.

In Ihrem Unternehmen fallen viele Daten an Sie sind sich jedoch unsicher, wie Sie diese gewinnbringend nutzen? Sie grübeln noch ob der Einsatz von KI für Ihr Unternehmen relevant ist? Unsere Expert*innen freuen sich, gemeinsam mit Ihnen Licht ins Dunkel zu bringen.

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Katharina Lingelbach

Neurowissenschaftlerin und Doktorandin im Team »Applied Neurocognitive Systems«. Besonders interessiert sie sich für die Interaktion von emotionalen und kognitiven Prozessen sowie das Monitoring von solchen Nutzerzuständen bei der Interaktion mit Technik mittels multimodaler Sensorik und ML. Neben Neuronen und Statistik begeistert sie Ballett, Gesang, Reisen und hohe Berge!

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Kategorien: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Mensch-Technik-Interaktion
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