Quantencomputing (QC) - Blogreihe zu Quantencomputing
Quantencomputing (QC) – Blogreihe zu Quantencomputing
Quantencomputer können komplexe Probleme lösen, die herömmliche Computer an Grenzen stoßen lässt. Die Technologie birgt viele Potenziale für die Industrie und bedeutet nicht nur einen Vorstoß in der Wissenschaft, sondern auch eine große Chance für innovative Geschäftsmodelle und vielversprechende Anwendungszenarien.

In den letzten Monaten und Jahren ist ein regelrechter Hype um Quantencomputer entbrannt. Von »Rechnen mit Überlichtgeschwindigkeit« (Quarks), »Revolution der Computertechnik«, welche die »nächste industrielle Revolution« (Tagesschau) auslösen könnte oder gar der »Quantenüberlegenheit« von Quantencomputern über jeden noch so großen Hochleistungsrechner (Süddeutsche Zeitung) ist die Rede. Insbesondere in Hinblick auf realitätsnahe Problemstellungen müssen Quantencomputer zwar noch größer und fehlertoleranter werden, aber jenseits dieser technischen Hürden ist das Potenzial von Quantencomputern riesig: »Der Quantencomputer rechnet parallel und ist um ein Vielfaches schneller. Mit ihm lassen sich zum Beispiel Natursimulationen erstellen oder komplizierte Logistikketten optimieren oder Milliarden von Zahlungsströmen in Echtzeit steuern, während komplexe regulatorische Vorgaben berücksichtigt werden.«. In diesem Zitat aus einem Artikel von Focus Online wird der sogenannte Quantenparallelismus beschrieben. Ein Effekt, den es nur auf dem Quantencomputer gibt und der – neben der Verschränkung – ein Grundpfeiler für die Mächtigkeit des Quantencomputers ist.

In zwei Blogartikeln wollen wir genau diesen Effekt des Quantenparallelismus unter die Lupe nehmen und erklären, wie er dem Quantencomputer erlaubt gewisse Aufgaben wesentlich effizienter als ein klassischer Computer zu lösen.

In diesem ersten Artikel werden wir ein wenig in die Welt der Quantenmechanik eintauchen. Hier gibt es viele Effekte, die wir aus unserer alltäglichen makroskopischen Welt nicht kennen und für die wir keine Intuition haben bzw. die uns oft sogar völlig widersprüchlich erscheinen. Hier kommt uns die Mathematik zur Hilfe, die uns erlaubt, die Vorgänge der Quantenmechanik formalisiert aufzuschreiben und dadurch präzise ihre Effekte und Konsequenzen – auch wenn wir sie nicht intuitiv erfassen können – zu beschreiben und dadurch zu nutzen. Nur in dieser Form ist uns Menschen die Quantenmechanik zugänglich. Es lohnt sich also, in diesem Blogartikel dranzubleiben und sich nicht von etwas Mathematik abschrecken zu lassen, denn damit haben wir die Grundlagen, um im zweiten Blogartikel zu beschreiben und zu verstehen, was beim Quantenparallelismus wirklich passiert.

Vom Bit zum Qubit und der Quanteneffekt der Superposition

Im klassischen, digitalen Computer ist die grundlegende Informationseinheit das Bit (kurz für binary digit). Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es sich immer in genau einem von zwei möglichen Zuständen befindet. Für gewöhnlich werden diese Zustände mit 0 und 1 bezeichnet. Analog zum Bit im klassischen Computer haben wir im Quantencomputer das Qubit (kurz für Quantenbit). Genau wie das klassische Bit, kann ein Qubit die Zustände ∣0⟩ und ∣1⟩ annehmen. (Wir verwenden hier die in der Quantenmechanik übliche Dirac’sche Notation, in welcher Quantenzustände mit ∣⋅⟩ bezeichnet werden.)
Im Gegensatz zu einem Bit kann ein Qubit jedoch auch andere Zustände als ∣0⟩ und ∣1⟩ annehmen. Genauer gesagt kann es sich in einer beliebigen Überlagerung dieser beiden Zustände befinden – es ist dann in einer Superposition der Zustände ∣0⟩ und ∣1⟩. Bezeichnen wir den Zustand des Qubits mit ∣ψ⟩, können wir eine solche Superposition präzise ausdrücken als

∣ψ⟩ = α∣0⟩ + β∣1⟩,

wobei α und β die sogenannten Amplituden zu den Basiszuständen |0⟩ bzw. |1⟩ sind. Grob gesagt geben diese uns die Anteile an, mit welchen |0⟩ bzw. |1⟩ in der Superposition vertreten sind. Eine wichtiges Beispiel, welches wir auch im zweiten Blogartikel brauchen werden, ist der Zustand

∣+⟩ = 1/√2∣0⟩ + 1/√2∣1⟩.

Hierbei handelt es sich um eine gleichmäßige Superposition, da die Amplituden betragsmäßig gleich groß sind.

Der quantenmechanische Messprozess

Im Gegensatz zum klassischen Bit ist der Zustand eines Qubits nicht offensichtlich. Eine Messung kann niemals den gesamten Zustand α∣0⟩ + β∣1⟩ enthüllen, sondern immer lediglich 0 oder 1 als Ergebnis haben (warum die Ergebnisse mit 0 und 1 bezeichnet werden, erklären wir in Kürze). Dies ist kein Problem ungenügend genauer Messinstrumente, sondern ein intrinsisches Phänomen der Quantenmechanik: Ergebnisse der Messung eines Quantenzustandes sind stochastisch, d.h. prinzipiell nicht vorhersehbar. Wir können allerdings berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis der Messung 0 bzw. 1 ist. Hier kommen wieder die Amplituden aus dem vorherigen Abschnitt ins Spiel. Denn diese — genauer gesagt das Quadrat ihrer Beträge — codieren die Messwahrscheinlichkeiten gemäß der Formel:

∣α∣2 → Wahrscheinlichkeit 0 zu messen

∣β∣2 → Wahrscheinlichkeit 1 zu messen

Für den Zustand ∣+⟩ erhalten wir z. B.

∣1/√2 ∣2 = 1/2 = 0.5 → 50 % Wahrscheinlichkeit 0 zu messen

∣1/√2 ∣2 = 1/2 = 0.5 → 50 % Wahrscheinlichkeit 1 zu messen

Lediglich in den beiden Basiszuständen ∣0⟩ und ∣1⟩ ist eine der Amplituden α bzw. β Null und wir erhalten gemäß obiger Formel ein deterministisches Messergebnis:

∣0⟩ → 100 % Wahrscheinlichkeit 0 zu messen

∣1⟩ → 100 % Wahrscheinlichkeit 1 zu messen

Dies ist der Grund, warum die Messergebnisse 0 bzw. 1 genannt werden.

Wichtig ist noch zu erwähnen, dass bei einer Messung der Superpositionszustand eines Qubits in einen der Basiszustände ∣0⟩ oder ∣1⟩ kollabiert. Hatte das Qubit vor der Messung den Zustand ∣ψ⟩ = α∣0⟩ + β∣1⟩ und das Messergebnis ist 0, dann ist es nach der Messung im Zustand ∣ψ⟩ = ∣0⟩. War das Messergebnis hingegen 1, ist es nach der Messung im Zustand ∣ψ⟩ = ∣1⟩ (siehe Grafik).


 

Auf dem Weg zum Quantenparallelismus

Jede Datenverarbeitung auf dem klassischen Computer basiert auf logischen Gattern, welche eine Eingangsbitfolge nach bestimmten Regeln in eine Ausgangsbitfolge verwandeln. Genauso gibt es im Quantencomputer die Quanten-Gatter, mit welchen die Qubits manipuliert werden können. Mit Quanten-Gattern kann jede logische Operation abgebildet werden und darüber hinaus noch weitere, ausschließlich auf dem Quantencomputer verfügbare Manipulationen ausgeführt werden. Und nun kommt der Clou: Durch den Superpositionszustand kann der Quantencomputer durch die Anwendung eines einzigen Quanten-Gatters den Zustand aller möglichen Eingangsbitfolgen gleichzeitig in die Ausgangsbitfolgen verwandeln. Genau das ist Quantenparallelismus. Im nächsten Blogartikel wollen wir uns diesen Effekt genauer anschauen, ihn an einem einfachen Beispiel vorführen sowie Potenziale und Einschränkungen diskutieren.

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Andreas Sturm

Andreas Sturm ist promovierter Mathematiker, Software-Entwickler und Data-Scientist. Zudem ist er Mitglied des Kompetenzzentrums Quantencomputing Baden-Württemberg und des Forschungsprojekts »SEQUOIA«, das für Software-Engineering industrieller, hybrider Quantenanwendungen und -algorithmen steht.

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