»Hilfe, die Roboter kommen!« – so betitelten zahlreiche Medien den weltweiten Einzug der Roboter in die Fabrikhallen der Produktionsunternehmen. Roboter seien wirtschaftlicher und leistungsstärker als Menschen und es sei nur eine Frage der Zeit, bis die meisten Tätigkeiten in Montage und Fertigung von den »Blechkameraden« übernommen werden. Doch ist dieses Horrorszenario realistisch? Ist die Robotik nicht im Gegenteil eine große Chance für unsere Arbeitswelt? Was muss passieren, damit Roboter menschliche Arbeitsplätze nicht ersetzen, sondern retten? Zeit für ein Gegenszenario!

Der Roboter verbessert Ihre Leistungsfähigkeit

Es ist das Jahr 2030: Sie betreten wie jeden Tag die Produktionshalle. Automatisch werden Sie über Ihren intelligenten Mitarbeiterausweis im System eingecheckt und erfahren über Ihr Smartphone, wo sich Ihre erste Arbeitsstation befindet. Auf dem Weg dorthin bereitet der Roboter diese bereits vor. Er fährt die Tischhöhe in die für Sie ergonomisch günstigste Position, passt die Beleuchtung an und platziert die Werkzeuge auf dem Arbeitstisch. Das kann er, weil er Informationen über die zu bearbeitenden Produktionsaufträge mit Informationen über Ihre persönlichen Anforderungen kombiniert.

Der Roboter erstellt einen Vorschlag, welche Produkte und Aufgaben Sie heute mit ihm bearbeiten können. Dieser ist bereits mit Ihren hinterlegten Qualifikationen, Berechtigungen und Lernzielen abgestimmt. Neben den vertrauten Arbeitsaufgaben bietet der Roboter auch immer wieder neue Aufgaben mit Lernunterstützung für Ihre persönliche Kompetenzentwicklung an. Wenn Ihre Leistungskurve und Konzentrationsfähigkeit sich den Tag hinweg verändert, bietet der Roboter einen Wechsel entweder der Aufgaben oder der Arbeitsgeschwindigkeit oder sogar Ihres aktuellen Arbeitsplatzes an. So wird Ihre Leistungsfähigkeit erhalten und nebenbei die Qualität der bearbeiteten Produkte verbessert.

Der Roboter gleicht Ihre Einschränkungen aus

Sollten Sie im Jahr 2030 körperliche oder geistige Einschränkungen haben, sei es alters- und verschleißbedingt oder aufgrund von Krankheiten, Unfällen und Behinderungen, gleicht der Roboter Ihre Einschränkungen mit Hilfe seiner Unterstützungsfunktionen so weit wie möglich aus. Die Unterstützung reicht vom Anreichen von Material und Werkzeugen über die behinderungsgerechte Darstellung von Informationen bis hin zur »dritten Hand«, indem der Roboter Ihnen seinen Greifer zur Fixierung von Arbeitsgegenständen leiht. So können Sie mit gesunden Mitarbeitern mithalten und brauchen Ihren regulären Arbeitsplatz nicht mit einem schonenderen Arbeitsplatz tauschen.

Von intelligenten Systemen gesteuert, kreiert der Roboter laufend die bestmögliche arbeitsorganisatorische Lösung, um nicht nur Produkte individuell zu fertigen, sondern gleichzeitig Sie als Mitarbeiter individuell zu unterstützen. Dadurch wird Ihre Beschäftigungsfähigkeit bis ins hohe Erwerbsalter gefördert und Krankheitskosten für den Arbeitgeber gesenkt.

Ihre Zusammenarbeit mit dem Roboter rechnet sich

Durch die intelligente Arbeitsorganisation im Unternehmen werden besondere Fähigkeiten des Menschen (z. B. Erfassen komplexer Aufgaben, Reaktion auf unbekannte Situationen, Kreativität) optimal mit den Stärken des Roboters (z. B. Geschwindigkeit, Präzision, Kraft, Ermüdungsfreiheit) verknüpft. Nach dem Prinzip »1+1=3« können Sie und der Roboter gemeinsam anspruchsvolle Produkte bearbeiten und dabei bessere Ergebnisse auf den Ebenen Zeit, Kosten und Qualität erreichen. Die höhere Wertschöpfung und Flexibilität trägt neben den gesunkenen Preisen für Roboter dazu bei, dass sich das Ganze auch für das Unternehmen rechnet.

Arbeitsplätze mit Mensch-Roboter-Kollaboration werden im Jahr 2030 nicht mehr nur nachträglich in bestehende Anlagen integriert, sondern von Anfang an in neue Arbeitssysteme eingeplant, was Effizienzvorteile schafft. Neue Roboter amortisieren sich nicht mehr ausschließlich durch den Ersatz von Mitarbeitertätigkeiten, sondern ihre Kosten-Nutzen-Bilanz wird im Rahmen einer erweiterten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung umfassender bewertet. Dazu zählen Pluspunkte wie die Flexibilitäts- und Zeitvorteile beim Produzieren, die durch die Einbindung der Roboter in die digitale Fabrik ermöglicht werden. Auch die gesunkenen Anschaffungskosten für Roboter, die einen immer größeren Funktionsumfang und vielfältigere Einsatzmöglichkeiten besitzen, tragen zur verbesserten Wirtschaftlichkeit bei. Ebenso brechen alternative Finanzierungs- und Servicemodelle das Prinzip »Roboter statt Mitarbeiter« auf: So können kleinere Unternehmen Roboter auch zeitlich begrenzt mieten oder leasen, um die Fixkosten und Wartungsaufwände des Robotereinsatzes zu senken.

Schon heute an der Zukunftsvision der Mensch-Roboter-Kollaboration arbeiten

Im Projekt AQUIAS arbeiten wir schon heute an einem positiven Zukunftsszenario für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter. Der im Projekt entwickelte Mensch-Robotik-Arbeitsplatz vereint Ziele der technischen Machbarkeit, Arbeitsgestaltung, Inklusion und Wirtschaftlichkeit. Der Weg dorthin führte über mehrere Zwischenentwürfe, die wir in einem Demonstrationsvideo (siehe Linkliste am Ende dieses Beitrags) vorstellen.

Der Demonstrationstag des Projekts AQUIAS am 10. Mai 2017 zeigte den Mensch-Robotik-Arbeitsplatz in der Produktion der Firma ISAK im laufenden Betrieb.

AQUIAS: Teilhabe durch Robotik
Wie kann die Mensch-Roboter-Kooperation speziell für schwerbehinderte Personen genutzt werden? Der Bosch-Roboter »APAS assistant« verspricht Teilhabe an Arbeit, aber auch Lernpotenzial. Foto: Ludmilla Parsyak © Fraunhofer IAO
AQUIAS: Teilhabe durch Robotik
Mensch-Roboter-Kollaboration: Mit seinem Greifarm zieht der APAS assistant die Werkteile des Mitarbeiters zu sich, bearbeitet sie und schiebt sie danach wieder zurück. So gleicht er die unterschiedliche Reichweite der schwerbehinderten Mitarbeitenden beim Greifen aus. Foto: Ludmilla Parsyak © Fraunhofer IAO
AQUIAS: Teilhabe durch Robotik
Der Roboterarm kann über ein mobiles Touchpad programmiert und gesteuert werden. Foto: Ludmilla Parsyak © Fraunhofer IAO
AQUIAS: Teilhabe durch Robotik
Die Sensorhaut des Roboters erkennt, wenn sich ein Mensch im Nahbereich befindet. Die Maschine stoppt, bevor es zu einer Berührung kommt. Foto: Ludmilla Parsyak © Fraunhofer IAO
AQUIAS: Teilhabe durch Robotik
Der Arbeitsplatz passt sich flexibel an die jeweilige Arbeitssituation als auch an die individuellen Bedarfe der Mitarbeitendenan. So kann der Roboterarm sich auch im laufenden Betrieb flexibel an die veränderte Tischhöhe anpassen. Foto: Ludmilla Parsyak © Fraunhofer IAO

Sie interessieren sich für die mitarbeiterzentrierte Gestaltung von Mensch-Robotik-Arbeitsplätzen? Sie möchten Szenarien für neue Arbeitsplätze der Industrie 4.0 entwickeln, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen? Ich freue mich auf Ihre Kommentare hier im IAO-Blog oder Ihre Anregungen direkt an David Kremer.

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Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE), New Work / Connected Work
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