Wer kannte es nicht, das Schokoherz der Air Berlin? Lange Jahre war es ein erster Berliner Gruß für innerdeutsche Reisende, wenn sie die Hauptstadt besuchten. Doch die Air Berlin ist Geschichte – das fehlende Schokoherz wird dabei allerdings weniger vermisst als die bekannten regelmäßigen, Verbindungen in das Herz die Republik. Als Mobilitätsforscher haben wir uns der Herausforderung gestellt und uns zu einem Workshop im Fraunhofer-Forum am Berliner Dom getroffen.

Mobilität heute – Grundbedürfnis oder Gewohnheit?

Wer sich wie gewohnt auf eine spontane Reiseplanung nach Berlin verlassen hatte, erlebte eine böse Überraschung: Airlines waren ausgebucht, bei der Bahn gab es Sitzplatzmangel. Morgens nach Berlin, abends wieder heim – ganz wie gewohnt – war nicht möglich. Auf eines konnte man sich aber verlassen – das fleißige Netzwerk von über 8000 Berliner Taxis! Wer einen Flug ergattert hatte und sich am Flughafen Tegel nach einem Transportmittel für den letzten Abschnitt der Reise umschaut, sucht nämlich vergeblich nach der, an Flughafen sonst gewohnten, U-Bahn. Tegel verlässt man mit einem Auto – sei es ein Bus oder ein Taxi. Erster benötigt für die Fahrt bis zum Fraunhofer-Forum etwa 45 Minuten und bietet einem oftmals nur ein Stehplatz, von Platz für Koffer mal ganz zu schweigen. Wer schnell oder komfortabel reisen möchte, kommt daher am klassischen Berliner Taxi kaum vorbei.

Mobilität morgen – Pläne von gestern

Hatte man sich für eine Anreise mit der Bahn entschieden und ist somit nicht im kultigen alten Flughafengebäude von Tegel, sondern in der neuen, hochmodernen »Kathedrale der Mobilität«, dem Berliner Hauptbahnhof angekommen, war man dem Ziel zwar schon deutlich näher. Auf ein schnelle, dicht getaktete U-Bahn muss man dort allerdings (noch) verzichten. Die Linie U55 Richtung Alexanderplatz endet am Brandenburger Tor, noch fußläufig (etwa 1,4 km) vom Hauptbahnhof entfernt. Dieser 2009 eingeweihte erste Abschnitt des schon 1995 begonnen U-Bahn-Neubau-Projektes, hat rund 250 Mio. Euro gekostet.

Wer die weitere Strecke vom Brandenburger Tor Richtung Dom zu Fuß zurücklegt – immerhin reden wir hier über »Unter den Linden«, der Prachtstraße Berlins – sieht dort vor allem eines: Die riesige Baustelle der U5. Bis man wieder unter den Linden spazieren kann, die Lücke der U5 geschlossen ist und die ersten U-Bahnen rollen, wird Berlin wieder 20er-Jahre erleben. Die gesamte neue Strecke bis zum Alexanderplatz wird dann etwa 4 Kilometer lang sein und für den zweiten Bauabschnitt nochmal rund eine halbe Milliarde Euro gekostet haben.

Mobilität morgen – Pläne von heute

Deutlich ruhiger geht es dahingegen zu wenn man sich vom Brandenburger Tor Richtung Tiergarten wendet und der »Straße des 17. Juni« folgt. Selbst unter den Berlinern hat wohl kaum jemand gemerkt, dass dort seit April 2017 ebenfalls ein renommiertes Infrastrukturprojekt entsteht: DIGINET-PS, eine urbane Teststrecke für vernetzte und automatisierte Fahrzeuge. Alleine die schnurgerade Strecke vom Brandenburger Tor bis zum Ernst-Reuter-Platz ist etwa 4 Kilometer lang, der Rückweg führt nochmals deutlich länger an der Spree entlang, vorbei am Reichstag zurück zum Brandenburger Tor. Der Aufbau des Testfelds – Maßnahmen sind dabei vor allem die Ausrüstung der Straßen mit Vernetzungsinfrastrukturen – soll bis Mitte 2019 abgeschlossen sein. Den Steuerzahler hat das Projekt dann in etwa ein Hundertstel des Lückenschlusses der U5 gekostet: 5,2 Mio. Euro, die das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur zur Verfügung stellt.

Bereits vor 2020 werden erste Fahrzeuge über die Strecke rollen: Ein autonomer Shuttle-Bus soll schon in den kommenden Jahren Studenten zur TU Berlin befördern. Dies ist jedoch nicht das erste Projekt dieser Art in Berlin: Auf dem EUREF-Campus wurde bereits 2017 ein fahrerloses Shuttle-Fahrzeug eingesetzt, auf dem Gebiet der Charité sollen Anfang 2018 weitere Testfahrzeuge ihren Dienst aufnehmen. Wer hätte das Mitte der 90er-Jahre gedacht, als der Bau der U5 begonnen wurde? Nur wenige Jahre nachdem die Trabbis die ehemalige Grenze am Brandenburger Tor passiert haben?

Roboter-Taxis – gewünschte Lösung oder Spielzeug?

Doch welche Rolle werden Roboter-Taxis in der urbanen Mobilität der Zukunft spielen (können)? Werden sie den ÖPNV ersetzen, die privat genutzten Fahrzeuge, oder werden sie doch eher eine Ergänzung zu bestehenden Angeboten sein? Diese Fragen haben wir gerade über zweitausend Menschen in Deutschland, China und den USA gestellt: Die Mehrheit der Leute beantwortet sie mit einem klaren »Ja«. Doch es gibt einen klaren Unterschied zwischen den Ländern – während wir in Deutschland das Roboter-Taxi eher als Ergänzung zu bestehenden Angeboten sehen, kann sich ein Großteil der chinesischen Probanden vorstellen, dafür auf andere Verkehrsmittel zu verzichten. Weitgehend einig sind sich die Länder wiederum, wenn es darum geht, ob sie sich vorstellen könnten, das Taxi und die entstehenden Kosten mit fremden Leuten zu teilen. Die Tendenz deutet klar darauf hin, dass dies akzeptiert wird. Spannend wird es wiederum, wenn man sich die Passagiere genauer anschaut, schließlich ermöglichen Roboter-Taxis auch den Leuten Individualmobilität, die keinen Führerschein besitzen. So würden etwa zwei Drittel der chinesischen Befragten, ähnlich einem Schulbus, ihre Kinder einem Roboter-Taxi anvertrauen. In Amerika und Deutschland lassen sich dafür nur etwa ein Viertel der (potenziellen) Eltern begeistern. Zumindest der Schulbus wird uns also wohl noch eine Weile erhalten bleiben. Welche sonstigen interessanten Ergebnisse wir in der Umfrage noch gefunden haben, können Sie nächste Woche auf unserem »Forum FutureCar: (R)Evolution Roboter-Taxi?«, auf dem wir die Umfrage vorstellen wollen.

Nutzerstudie »RoboCab« Quelle: Eigene Erhebung Oktober 2017 / N=2.360
Nutzerstudie »RoboCab« Quelle: Eigene Erhebung Oktober 2017 / N=2.360
Nutzerstudie »RoboCab« Quelle: Eigene Erhebung Oktober 2017 / N=2.360
Nutzerstudie »RoboCab« Quelle: Eigene Erhebung Oktober 2017 / N=2.360

Roboter Taxi oder U-Bahn? …oder beides?

Doch sind Roboter-Taxis wirklich die Zukunft der urbanen Mobilität? Ok – sie sind flexibler und komfortabler als U-Bahnen und ÖPNV, schneller einzusetzen und zumindest auf Seiten der Infrastrukturkosten wirtschaftlicher als schienengebundene Systeme. Die derzeit etwa 8000 Berliner Taxis könnten, drei Passagiere vorausgesetzt, auf einmal 24 000 Menschen bewegen, das entspricht 70 U-Bahnen – wenn sie voll besetzt sind und drei Viertel der Passagiere stehen! Rechnet man nur die Sitzplätze, würde man etwa 300 Bahnen benötigen. Dennoch muss man sich die Frage stellen, ob in den hochverdichteten Innenstädten der Metropolen ein Weg an der guten alten etablierten U-Bahnen überhaupt vorbeiführt? So heißt es auf der Infohomepage des U5-Projekts: »Für die vielbefahrene Mitte Berlins bringt die neue U5 echte Entlastung: Nach dem Lückenschluss der U5 verlagern sich voraussichtlich 20 Prozent des Straßenverkehrs auf die neue U5. Endlich wieder draußen sitzen ohne Feinstaub in der Berliner Weiße!«.

Die Vor- und Nachteile von Roboter-Taxis und ÖPNV gilt es abzuwägen und zu überprüfen, wie die Verkehrsträger sinnvoll kombiniert werden können. Wir Forscher im Geschäftsfeld »Mobilitäts- und Stadtsystemgestaltung« am Fraunhofer IAO sind uns aber in einem Punkt einig: Die Diskussion über Roboter-Taxis muss zwischen Industrie UND Wissenschaft geführt werden, damit die Erfüllung von Gewohnheiten und Bedürfnisse unseres urbanen Mobilitätsverhaltens gleichermaßen berücksichtigt werden.

Uns interessiert dazu auch Ihre Meinung: Treffen Sie unser Forscherteam kommende Woche auf der HYPERMOTION in Frankfurt oder diskutieren Sie Sie mit uns am 23. November 2017 in Stuttgart auf unserem Forum FutureCar 2017: Urbane Mobilität 2030: (R)Evolution Roboter-Taxi? Und keine Angst – Flüge nach Frankfurt und Stuttgart sind derzeit noch wie gewohnt erhältlich.

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Kategorien: Future Mobility, Stadtentwicklung
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