Spitzentechnologie vor Ort zu erarbeiten und in aller Welt zu vertreiben hat Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten erheblichen Wohlstand eingebracht. Die bevorstehende Transformation der Automobilindustrie, insbesondere die Elektrifizierung des Antriebsstrangs, bietet viele Chancen, die heimische Wertschöpfung und Beschäftigung weiter hochzuhalten – wenn wir sie nutzen.

Deutschland ist bekannt für die Entwicklung und Herstellung hochwertiger Automobile. Diese werden immer noch zum weit überwiegenden Teil von einem Verbrennungsmotor angetrieben. Dabei haben die Gesellschaft, die Politik und die Hersteller selbst bereits die Notwendigkeit erkannt und sich zum Ziel gesetzt, den Straßenverkehr zu elektrifizieren. Hierdurch verliert der verbrennungsmotorische Antrieb mehr und mehr an Bedeutung – und mit ihm alle Industrien, die mit dieser Transformation nicht Schritt halten können. Viele bekannte, hochentwickelte Komponenten und Systeme werden in der Form, wie wir sie heute kennen, obsolet werden. Doch die Transformation bietet zahlreiche Möglichkeiten, auch bei den zukünftigen Komponenten und Systemen die Spitzenposition zu erobern. Ob dazu Elektromotoren und batterieelektrische Energiespeicher zählen, deren Aufbau und Funktionsweise zahlreiche Unternehmen weltweit beherrschen können, muss sich zeigen. Für einen Hightech-Standort wie Deutschland wie geschaffen sind hingegen Leistungselektronik und der brennstoffzellenelektrische Antrieb.

Leistungselektronik: Entscheidend in jedem zukünftigen Fahrzeug

In allen Fahrzeugen mit elektrifiziertem Antriebsstrang vom Mild-Hybrid- (teilweise bereits beim Micro-Hybrid-) über den Plug-in-Hybrid- bis hin zum batterie- und brennstoffzellenelektrischen Pkw, Lkw und Bus kommt Leistungselektronik zum Einsatz (und dabei ist der Blick nur auf den Straßenverkehr gerichtet). Sie wird benötigt, um hohe Gleichspannung aus der Energiequelle in hohe Wechselspannung für den Antrieb umzurichten und in niedrige Gleichspannung für Nebenaggregate herabzusetzen. Grundsätzlich ist Leistungselektronik nicht unbedingt Spitzentechnologie und etwa in der Elektroindustrie schon länger bekannt sowie bei zahlreichen Anbietern auf der ganzen Welt erhältlich. Da sie aber den Energieverbrauch und damit die Fahrzeugreichweite erheblich beeinflusst, werden für eine erfolgreiche Elektrifizierung des Straßenverkehrs hochentwickelte Lösungen benötigt, die bereits ab der Ebene der Leistungshalbleiter optimiert sind und dort auf Siliziumkarbid (SiC) setzen. Die Herstellung solch effizienter Leistungselektronik birgt auch erhebliches Beschäftigungspotenzial für Deutschland. Es wird zwar trotz der zu erwartenden hohen Stückzahlen kaum gelingen, die heute bestehenden, vom Verbrennungsmotor abhängigen Stellen 1:1 zu erhalten, aber gute Arbeitsplätze in einer nennenswerten Anzahl neu zu schaffen.

Brennstoffzellenelektrischer Antrieb: Unabdingbar für die klimaneutrale Mobilität

Ein Blick auf die Zulassungszahlen und die Straßen in Deutschland und weltweit zeigt, dass die Elektrifizierung des Straßenverkehrs aktuell zum weit überwiegenden Teil mittels des batterieelektrischen Antriebs erfolgt. Mindestens für den Moment und mindestens im Pkw-Bereich ist diese Entwicklung sinnvoll. Denn lediglich batterieelektrische Fahrzeuge nutzen aufgrund ihrer sehr hohen Effizienz die derzeit noch nur ungenügend verfügbaren erneuerbaren Energien im erforderlichen Umfang aus. Dieser Umstand überwiegt auch das Argument, dass die vermeintlichen Komfortnachteile wie lange Ladezeiten und kurze Reichweiten die Akzeptanz bei den Kunden beeinträchtigen und so eine noch schnellere Transformation verhindern. Dem brennstoffzellenelektrischen Antrieb haften die genannten Nachteile nicht an. Er wird für bestimmte Anwendungsfelder dringend gebraucht, ist aber wegen seiner vergleichsweise niedrigen Effizienz darüber hinaus aktuell noch nicht geeignet. Etwa bei schweren Nutzfahrzeugen bietet die Brennstoffzelle je nach Einsatzprofil schon heute Vorteile gegenüber einer großen und schweren Batterie. Sobald die erneuerbaren Energien in größerem Umfang zur Verfügung stehen, spricht nichts mehr gegen brennstoffzellenelektrische Pkw. Auch diese Perspektive ist sehr vielversprechend für den Standort Deutschland. Denn während es bereits eine sehr große und immer weiter wachsende Anzahl an Herstellern batterieelektrischer Fahrzeuge gibt, beherrschen nur relativ wenige Unternehmen den technisch komplexen, für Kunden komfortablen brennstoffzellenelektrischen Antrieb. Dessen Herstellung ist zudem ebenfalls mit großem Beschäftigungspo-tenzial verbunden, das sich jedoch aller Voraussicht nach erst im nächsten Jahrzehnt heben lässt. Aber wie schon bei Leistungselektronik reicht das Potenzial nicht aus, um die wegfallenden verbrennungsmotorabhängigen Arbeitsplätze zu kompensieren.

Nachfrage nach weiterer Spitzentechnologie gibt es zur Genüge

Mit Blick auf Deutschland erwarten Kunden Hightech nicht nur innerhalb eines Fahrzeugs, sondern auch außerhalb davon. Ihr Interesse an Lösungen, die zum Schutz des Klimas und der Umwelt ebenfalls beitragen, wird dabei in den nächsten Jahren immer größer werden. Entsprechend können zusätzlich zu Leistungselektronik und dem brennstoffzellenelektrischen Antrieb als weitere Beispiele für zukunftsfähige Aktivitäten von Unternehmen etwa ein Engagement im Bereich von Ladeinfrastruktur und perspektivisch von Tankinfrastruktur für Wasserstoff, im Bereich der erneuerbaren Energien oder im Bereich des Recyclings genannt werden. Mit dem hierzulande vorhandenen Know-how kann Deutschland in den aufgezählten Feldern und darüber hinaus eine oder sogar die führende Rolle einnehmen und die jeweils gebotenen Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenziale erschließen. Dies ist allerdings auch notwendig. Denn die im Zuge der Transformation mit dem Verbrennungsmotor verschwindende Wertschöpfung und Beschäftigung wird erheblich sein. Eine Kompensation wird nur durch eine Betätigung in dominanter Position in möglichst vielen der zukünftig relevanten Bereiche gelingen.

Haben Sie Fragen zur Transformation der Automobilindustrie oder zur Ermittlung von Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenzialen neuer Technologien? Dann melden Sie sich gerne bei uns.

Die genannten Merkmale von Leistungselektronik und brennstoffzellenelektrischem Antrieb sowie die damit verbundenen Beschäftigungspotenziale sind näher beschrieben im Bericht »Quantifizierung von Beschäftigungseffekten durch Leistungselektronik und Brennstoffzellenfahrzeuge« (siehe Leselinks) der Arbeitsgruppe 4 der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM).

Leselinks:

Daniel Borrmann

Beschäftigt sich mit der Beurteilung und der Anwendung von Technologien der Mobilitätswende, Aufbau und Antrieb elektrischer Fahrzeuge sowie Ladeinfrastruktur gehören zu den Lieblings-Themen. Dort forscht Daniel Borrmann auch gemeinsam mit seinen zwei Kollegen Florian Albert und Fabian Edel im Bereich der agilen Fahrzeuggestaltung. Dabei untersuchen sie neuartige Fahrzeugkonzepte, einzelne technologische Fahrzeugkomponenten und innovative Materialien genauso wie Schnittstellen zwischen Mensch und Fahrzeug. Als Teil des Teams »Mobility Concepts and Infrastructure« arbeiten sie somit tag täglich an cleveren Ideen für die Fortbewegung von morgen.

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