tl;dr kurz für »too long; didn’t read«. Das war das Motto der diesjährigen re:publica in Berlin. Als eine der führenden Konferenzen für neue Medien und die digitale Zivilgesellschaft adressierten die Veranstalter und Mitgestalter damit die Problematik, dass wir mehr und mehr vor der Informationsflut im Internet, als auch in unserem Offline-Alltag kapitulieren. Nicht ohne Grund hat sich unsere Aufmerksamkeitsspanne in den letzten Jahren verringert.

Auch für uns in der Forschung bedeutet diese Entwicklung, dass wir neue Wege gehen sollten, wenn wir weiterhin wirklich verstehen wollen, was sich Menschen tatsächlich wünschen und was sie denken. Denn wie gelingt es uns, Meinungen und Emotionen von Menschen in Befragungen einzufangen, die es entweder gar nicht mehr gewohnt sind oder die schlichtweg nicht gewillt sind, sich intensiv mit einem bestimmten Sachverhalt auseinanderzusetzen? Wie erhalten wir zukünftig also noch reflektierte Antworten auf unsere Fragen?

»2049: Zeitreise Mobilität«
VR-Headsets gehörten auf der re:publica schon fast zur Standard-Ausstattung – hier einfach kenntlich gemacht an unserem Stand »Deutschlandjahr USA«. Foto: Patrick Ruess, © Fraunhofer IAO

 

Daher passt es ganz gut, dass wir gerade auf der re:publica erstmalig eine neue Herangehensweise getestet haben für die Erhebung von Nutzerrreaktionen sowie für die Akzeptanzbewertung von Technologien sowie Zukunftsszenarien. Wie wir das gemacht haben? Mit virtueller Realität (VR).

Durch virtuelle Realität gelingt der Fokus auf das Wesentliche

VR ermöglicht das Eintauchen in eine virtuelle Umgebung, die vom Nutzer als real empfunden wird. Das Schlüsselwort hier: Immersion. Für unser Projekt »2049: Zeitreise Mobilität« nutzen wir eine eigens zu dem Zweck produzierte VR-Experience, mit dem Interessierte einen Blick in die Zukunft der Mobilität werfen können. Die »Zeitreisenden« erleben autonome Fahrzeuge, Lufttaxis aber auch alternative Lebenskonzepte, die zu weit weniger individueller Mobilität führen könnten, als noch heute. Durch das Aufsetzen der VR-Brille entflieht die Testperson also dem Messetrubel, dem eigenen Smartphone und anderen Ablenkungen. Der VR-Film nimmt, abhängig von der Interaktion der Probanden mit den Inhalten, zwischen fünf und acht Minuten in Anspruch. Im Anschluss erfolgt eine kurze Befragung, die die Wahrnehmung und die Einstellung der Teilnehmer zum Gesehenen erfragt. Wie sollte Mobilität zukünftig aussehen? Wie fällt die persönliche Einschätzung und die persönliche Affinität im Hinblick auf die unterschiedlichen Szenarien aus? Als Grundlage für die Befragungsergebnisse dienen also die zuvor durchlebten Szenen und die dabei entstandenen Eindrücke.

»2049: Zeitreise Mobilität«
Emissionsfreie Autos, Autonomes Fahren, Taxidrohnen: In welcher Stadt würdet ihr gern leben? Mit den VR-Brillen an unserem Stand reist man in die Stadt im Jahr 2049. Foto: Patrick Ruess, © Fraunhofer IAO

 

Wir werden mit unserer VR-unterstützten Befragung im Laufe des Projekts noch einige Veranstaltungen und Messen sowohl in Deutschland als auch in den USA besuchen. Darüber hinaus haben wir unseren Fragebogen aber bewusst so gestaltet, dass das Ausfüllen auch ohne VR-Experience möglich ist. Somit können wir deutlich mehr Teilnehmer erreichen, was unserer Studie zu Gute kommen wird. So können wir aber auch den Effekt unserer VR-Experience herausarbeiten.

Virtuelle Realität als echter Realitäts-Check für Unternehmen, Forschung und Start-ups

Schaut man sich auf der re:publica um, dann gehören VR-Headsets an vielen Ständen schon fast zur Standard-Ausstattung. Die Geräte können auf interaktive und unterhaltsame Weise veranschaulichen, was ein Produkt kann, für was ein Unternehmen steht oder wie innovativ ein Start-up doch ist. Relativ wenig Beachtung finden hierbei bislang die Nutzer bzw. die Nutzerreaktion. Dabei könnte die strukturierte Erfassung und Auswertung dieses Feedbacks wertvolle Einblicke geben über die mögliche Marktakzeptanz einer neuen Dienstleistung, die Tragfähigkeit eines Geschäftsmodells oder Antworten liefern auf eine aktuelle Forschungsfrage.

Wenn Sie also auf der nächsten Messe VR nutzen, um zu zeigen, wie sich Ihr autonomes Transportfahrzeug in der Lagerhalle bewegt, wie es ist mit Ihrem kollaborativen Roboter in der Produktionslinie zu stehen oder was sich im Haushalt Ihres Kunden alles ändern könnte, wenn er sich für Ihre intelligente Heizungssteuerung entscheidet, dann denken Sie weiter. VR bildet eine Brücke zwischen Ihrem Angebot und dem Kunden. Aufgrund seiner persönlichen Erwartungen, Bedürfnisse und Erfahrungen entstehen Emotionen, Fragen, Wünsche wie auch Bedenken. Holen Sie dieses Feedback ein und nutzen Sie es für die zukünftige Produktentwicklung oder Vertriebsstrategie!

tl;dr: VR-Applikationen sind bislang ein unterschätztes Instrument bei der Ermittlung von Nutzerreaktionen. Das gilt für die Forschung, aber womöglich auch für Ihr Unternehmen.

Im Projekt »2049: Zeitreise Mobilität« entwerfen wir im Rahmen des Deutschlandjahrs USA und in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk Zukunftsbilder für die Mobilität in beiden Ländern. Hierzu sammeln wir sowohl Expertenstimmen als auch Nutzermeinungen. Ergebnisse aus der resultierende Studien werden in einer Dokumentation von arte aufgegriffen.

Wenn auch Sie Interesse daran haben, Ihre Vision einer zukünftigen Mobilität mit uns zu teilen, können Sie dies über den folgenden Link tun: https://www.befragung.iao.fraunhofer.de/3/limesurvey/index.php/943642?lang=de

Und wie erwähnt: Wir erhalten durch Ihren Beitrag zu unserem Projekt auch weitere Einblicke für die Weiterentwicklung unserer VR-unterstützen Befragungsmethodik.

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Patrick Ruess

Leitet das Team »District Innovation Ecosystems« und die Fraunhofer IAO-Außenstelle in München. Forscht daran, wie sich Neues in Städten etabliert und Innovationen übertragen werden können.

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Kategorien: Future Mobility, Stadtentwicklung
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