First-Science-KIT: IAO-Blogreihe zum Corona Krisenmanagement
First-Science-KIT: Blogreihe zum Corona Krisenmanagement
Die Coronakrise fordert von uns allen ganz neue Herangehensweisen und Lösungen im beruflichen Miteinander. Das Fraunhofer IAO hat deshalb eine Blogreihe gestartet, mit der wir schnell anwendbare Praxistipps weitergeben, gut funktionierende Beispiele vorstellen und Lösungswege während und aus der Krise aufzeigen wollen.

Wir schreiben die Sternstunde der Nerds: Dem Virologen Christian Drosten hängen Millionen Menschen im Podcast an den Lippen und Youtuberin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim hat sich als Stammgast in Nachrichten- und Talkformaten etabliert. Die Corona-Pandemie hat das Informationsbedürfnis der Menschen stark erhöht und so auch der Wissenschaftskommunikation zu einem Relevanz-Boost verholfen. Mit dieser Rolle ist aber auch eine große Verantwortung verbunden, denn in der Forschung gibt es keine einfachen Antworten auf derart komplexe Ereignisse wie eine Pandemie.

Dass der Umgang mit dieser Unsicherheit eine der großen Herausforderungen der Disziplin darstellt, kann man derzeit am Fall der Heinsberg-Studie beobachten. Die langerwartete Untersuchung nahm den Ausbruch in einem Corona-Hotspot ins Visier, um Einblicke in die Dunkelziffer der deutschlandweit Infizierten, die Gefährlichkeit des Virus und das Ansteckungsrisiko zu gewinnen. Informationen also, nach denen sich sowohl die Bevölkerung als auch die politische Entscheidungsebene die Finger lecken.

Nach den ersten großen Schlagzeilen Anfang Mai – 1,8 Millionen Menschen in Deutschland könnten infiziert sein bei einer ermittelten Sterblichkeit von 0,36 Prozent – folgte der Rüffel aus der akademischen Community auf dem Fuße. Die wirkliche Schätzung sei deutlich unpräziser, die Daten des Hotspots ließen keine Rückschlüsse auf ganz Deutschland zu und sowieso wurde schnell der Vorwurf nach Inszenierung und PR laut.

Das bedeutet nicht, dass die Heinsberg-Studie schlecht ist, oder die Ergebnisse – im Rahmen ihrer Aussagekraft – falsch sind. Aber es führt vor Augen, dass für die Kommunikation solcher Vorhaben einige Dinge beachtet werden müssen, insbesondere, wenn die öffentliche Wahrnehmung geschärft ist.

Timing beachten

Die Wissenschaftskommunikation richtet sich ebenso wie andere Kommunikationsdisziplinen nach dem Nachrichtenwert eines Ereignisses. In Zeiten bevorstehender Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung von Corona ist die Nachricht über präzise Infektions- und Sterblichkeitszahlen natürlich höchst relevant. Allerdings stellt das Peer-Review – die Begutachtung einer Studie durch unabhängige Forscher – eines der wichtigsten Mechanismen zur Qualitätssicherung in der Wissenschaft dar und an diesem Punkt war die Heinsberg-Studie noch nicht angelangt. Um Angriffsfläche zu reduzieren, ist entweder Geduld oder transparente Kommunikation das Gebot der Stunde.

Fakten schaffen

Konfidenzintervalle, p-Werte, Varianzen: Was zum täglich Brot vieler Forscherinnen und Forscher gehört, stellt große Teile der Bevölkerung vor ein großes Fragezeichen. Ein Ergebnis gewinnt aber nur im Kontext dieser statistischen Kennzahlen eine Aussagekraft – und die kann und sollte man gut verständlich verpacken, auch wenn das bedeutet, dass sich ein Ergebnis nicht auf eine knackige Schlagzeile herunterbrechen lässt.

Glaubwürdig bleiben

Ein geflügeltes Wort besagt sinngemäß, dass Menschen jede Nachricht glaubten, die mit »Studien belegen, dass…« starte. Das ist natürlich stark überspitzt, deutet aber auf den immensen Vertrauensvorschuss hin, den (zum Glück) noch große Teile der Bevölkerung in die Forschung haben – und den man sich nicht verspielen sollte! Von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden also keine Verkaufsbotschaften, sondern unabhängige Informationen erwartet. Werden nun die Ergebnisse verkürzt und zugespitzt »vermarktet«, verschwimmen die Grenzen zwischen unabhängiger Forschung und fremdgesteuerter Interessen – eine Story soll sich schließlich gut verkaufen. So büßt selbst eine grundsätzlich sauber durchgeführte Studie im Zweifel an Glaubwürdigkeit ein.

Ein Beispiel für hervorragende Wissenschaftskommunikation stellt übrigens das »Foto vom schwarzen Loch« aus dem letzten Jahr dar. Sie war wissenschaftlich fundiert und erreichte dennoch auch Personen mit geringem astrophysischem Vorwissen. Durch die Wissenschaftlerin Katie Boumann erhielt das komplexe Projekt, das eigentlich hunderte Personen und Teilprojekte umfasste, ein Gesicht und war dadurch menschlich und authentisch.

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Lena Ahner

Behält als Kommunikationsmanagerin stets die niederschwellige Begegnung mit komplexen Themen im Blick. Lenas Herz schlägt dabei besonders für die digitale Kommunikation, in ihrer Freizeit ist sie aber gerne ganz analog in der Natur.

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