Nach der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Fachkräftemangel nun existiert oder erst kommt oder eher ein Gespenst ist, gebe ich heute erste praktische Handlungshilfen, denn: Für viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist der Fachkräftemangel schon Fakt. Und da sich eher keine Entspannung abzeichnet, vielmehr zunehmend auch die größeren und großen Unternehmen betroffen sein werden, ist guter Rat gefragt: Wie können Unternehmen kurzfristig reagieren? Was muss längerfristig getan werden?
Mitarbeiter finden, binden und produktiv einsetzen
Ein möglicher Weg wäre, den Bedarf an Fachkräften dort zu decken, wo ein Übermaß vorhanden ist: Im Ausland, durch Anwerbung von Fachkräften in großem Stil oder durch Standortverlagerung. Dies mag für manche Unternehmen eine Lösung sein, nicht jedoch für kleinere Unternehmen, für Dienstleister die nah am Kunden sein müssen oder etwa für produzierende Unternehmen, die einen Nischenmarkt bedienen.
Mein Vorschlag für all diese Unternehmen lautet: Bündeln Sie Ihre Kräfte und verfolgen Sie vor allem Maßnahmen, die neben dem Finden von Nachwuchs und Binden von Fachkräften besonders auch auf die optimale Nutzung der wertvollen Ressource Fachkraft setzen. Momentan verschwenden viele Unternehmen ihre Mitarbeiterpotenziale leider noch: Studien, Expertenschätzungen und auch die Erfahrungen meiner Kollegen am IAO zeigen, dass hier ein Produktivitätsplus von 30 Prozent brach liegt!
Mit zwei Beispielmaßnahmen will ich zeigen, wie es gelingen kann, an allen drei Stellschrauben – also Mitarbeiter finden, binden und produktiv setzen – zu drehen:
Beispiel Stellenausschreibung: von der Tätigkeitsbeschreibung zum Job-Profil
Stellenbeschreibung = Stellenausschreibung. Diese einfache Formel gilt leider immer noch bei zu vielen Unternehmen. Schade, denn die Jobanzeige könnte als Marketinginstrument im Sinne von »beim Nachwuchs um das Annehmen der Stelle werben« dienen. Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wie Unternehmen dieses Instrument besser nutzen können und haben die KAI®-»Job-Profile« entwickelt. Hier wird, bezogen auf eine konkrete Tätigkeit, zum Beispiel dargestellt, welche spannenden Herausforderungen den Bewerber erwarten, wie viel Eigenständigkeit und -verantwortung mit der Aufgabe verbunden sind oder wie man vom Team durch Erfahrungsaustausch profitieren kann. Was hier gänzlich fehlt, sind Angaben zu den Kompetenzen und Erfahrungen, die man bitte schön selbstverständlich mitbringen soll.
Das Prinzip lautet also: weniger Abschreckung und mehr Werbung. Neben dem Finden von Nachwuchs helfen die KAI® Job-Profile auch beim Binden und Produktivsetzen: Im Gespräch mit den Bewerbern oder auch mit angestammten Mitarbeitern zeigen sie, ob jemand in der Lage und bereit ist, die sich stellenden Herausforderungen zu meistern und mit der erforderlichen Eigenverantwortung zu füllen. Es gelingt so, Über- und Unterforderung zu vermeiden und die Mitarbeitenden durch die Arbeit maximal zu motivieren und ihre individuellen Stärken bestmöglich zu nutzen.
Beispiel »Feelgood-Management«: wer sich wohlfühlt, kommt, bleibt und arbeitet produktiv!
Unter »Feelgood-Management« verstehen wir zunächst einmal »Hier darf sich jeder wohl fühlen«. Ist das Unternehmen mit seinen Wohlfühl-Anstrengungen im Internet gut platziert und wird diese Kultur tatsächlich gelebt, so unterstützt diese Maßnahme das Finden und Binden von Mitarbeitenden. Wird Feelgood-Management als »people management« ernst genommen, kann es jedoch weit mehr bewirken. Denn strategische Aufgabe des Feelgood-Managements ist es, für jeden Einzelnen die jeweils optimalen Arbeitsbedingungen zu schaffen. Damit der Frühaufsteher früher zu arbeiten beginnt als der Langschläfer; damit die Arbeit gezielt durch körperliche Bewegung, geistige Anregung und Kontakteknüpfen (am Tischkicker) durchbrochen wird; damit Führungskräfte lernen, Mitarbeitende zu begeistern etc.
Wirken Maßnahmen wie Job-Profile und Feelgood-Management zusammen und kommen weitere Maßnahmen wie die optimale Organisation der Arbeit und Ausstattung der Arbeitsplätze hinzu, verstärken Sie sich gegenseitig: Die richtige Fachkraft am passenden Arbeitsplatz mit den optimalen Arbeitsbedingungen ist maximal produktiv wirksam. Unternehmen, denen dies gelingt, sind kaum betroffen von dem absehbaren Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Sie decken die Fachkräftelücke durch ein nachhaltig wirksames Produktivitätsplus.
Möchten Sie mehr erfahren zu neuen Strategien des Personalmanagements? Dann lade ich Sie herzlich dazu ein, unseren KAI® Visions-Workshop »Kopfarbeit 2025: Quo vadis HR-Management?« am 1. April in Stuttgart zu besuchen.
Leselinks:
- Wenn Sie neugierig geworden sind, was sich hinter dem Vorhaben KAI® verbirgt, besuchen Sie die Projektseite im Internet: www.kai.iao.fraunhofer.de
- Teil 1 dieses Blogbeitrags: Fachkräftemangel in Deutschland, Teil 1: Dichtung oder Wahrheit?
Kategorien: New Work / Connected Work
Tags: Arbeit der Zukunft, Fachkräftemangel, Human Resources, KAI - Kopfarbeit-Index, KMU, Kopfarbeit, Mittelstand, Personalmanagement
Interessanter Beitrag. Weitere offensive Strategien für Unternehmen, die im Wettbewerb um Talente punkten wollen, finden Sie auch im folgenden Artikel:
http://www.goodplace.org/blog/offensive-strategien-im-kampf-um-fachkräfte/
Ja, so langsam aber sicher verlassen die HR-Manager ihr Hamsterrädchen und werden zukunftsweisend und strategisch aktiv. Aber leider sind es noch zu wenige und es beschränkt sich zu sehr auf Branchen, die seit Jahren einen Mangel an Fachkräften und Akademikern verspüren. Hoffen wir, dass die guten Beispiele anstecken!
Ich bin mehr als Sauer über solche Berichterstattung und die Unfähigkeit von Firmen, die nur die Eierlegenden Wollmilcheschweine haben wollen mit mehr Berufserfahrung als Sie Alt sein dürfen und X natürlich passgenauen Abschlüssen und Zusatzqualifikationen sowie Mehrsprachigkeit und nicht zu vergessen Fliegen müssensie natürlich auch können und das für einen Apfel und ein Ei und damit sollen sie natürlich dankbar sein, wennman ihnen so viel zugesteht. Jeder Knecht im Mittelalter hatte mehr als Akademiker und Fachkräfte im Billiglohnland Deutschland. Bitte verarschen Sie hier keine Leute lesen Sie einfach Martin Gaedt – Mythos Fachkräftemangel und behaupten nicht ständig diese Wirtschafts und Politpropaganda vom Fachkräftemangel. Ich bin sehr Enttäusch dies hier zu lesen. Ich dachte wenigstens hier gäbe es Niveau.
Mit freundlichen Grüßen
Kai G. Werzner
Herr Werzners Kommentar ist nicht der erste dieser Art, der mich erreicht. Und tatsächlich ist es für all jene, die auf Arbeitssuche oder unterbezahlt sind, schwer zu verstehen, wenn überall von einem Fachkräftemangel die Rede ist. Man ist dann versucht, eher Überschriften wie „Mythos Fachkräftemangel“ zu folgen.
Tatsächlich ist es so, dass erstens insgesamt ein Fachkräftemangel herrscht – es gleichwohl einzelne Ausbildungsberufe oder Gewerbegebiete gibt, für die das (noch) nicht in dem Maße zu beobachten ist. Es kommt zweitens hinzu, dass der große Fachkräftemangel erst noch kommt, er jetzt aber von Jahr zu Jahr spürbarer wird. Drittens sollte man nicht – wie das einzelne Leser im schnellen Drüberlesen tun – den Fachkräftemangel mit einem Akademikermangel verwechseln: auch den gibt es, für bestimmte Studienfächer, für andere hingegen nicht.
Verwirrend bleiben Überschriften wie „Mythos Fachkräftemangel“. Wer sich die Mühe macht, mehr von diesen Artikeln oder Büchern zu lesen, wird nicht selten überrrascht: damit, dass die Autoren sehr wohl eine gewisse (anfängliche) Knappheit sehen, den Mangel, den Unternehmen beklagen aber (noch nicht) in dem beklagten Maß gelten lassen. Vielmehr fordern sie von Unternehmen, aktiv zu werden, mehr und geeignetere Maßnahmen zu ergreifen, um z.B. in der Konkurrenz gegenüber den großen Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt sichtbarer zu werden. Hier haben, und das sehe ich auch so, tatsächlich viele Unternehmen ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht – und insofern könnte man noch von einem Mythos reden.
Wie rasch oder extrem auch immer die Entwicklung hin zum verstärkten Fachkräftemangel weitergeht, es wird leider dabei bleiben, dass es auch zukünftig Menschen gibt, die persönlich von einem Fachkräftemangel nichts spüren oder zumindest nicht profitieren.