Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten globalen Ziele unserer Zeit. Von dieser Entwicklung ist der Mobilitätsbereich in unterschiedlichen Facetten betroffen. Um Mobilität nachhaltiger zu gestalten, setzt die spanische Hauptstadt Madrid beispielsweise auf sichere Fahrradabstellplätze mit Lademöglichkeiten an zentralen Knotenpunkten. Frankreich plant eine autofreie Hauptstadt und Hamburg möchte wirkungsvoll die Attraktivität des ÖPNV steigern.

Dies sind nur einige Beispiele aus bekannten europäischen Metropolen. Doch wie sehen Herausforderungen bzw. Lösungsansätze im gesamteuropäischen Raum aus? Und was können andere Länder oder Kommunen von diesen Beispielen lernen?

Im internationalen Projekt »ScaleTHENGlobal« im Rahmen des EIT Urban Mobility-Netzwerks haben wir uns der Beantwortung dieser Frage gewidmet und einen Blick auf ganz Europa geworfen. Damit wollen wir europäischen Städten, einschließlich politischer Instanzen sowie Unternehmen, einen strukturierten Überblick über aktuelle Herausforderungen im Bereich der nachhaltigen Mobilität aufzeigen.

Checkliste – Und welchen Herausforderungen stellen Sie sich?

Auf Basis einer umfassenden Literaturanalyse (Systematic Literature Review) haben wir eine Sammlung entwickelt, die mehr als 20 Herausforderungsbereiche, basierend auf mehr als 200 Detailherausforderungen aus Theorie und Praxis, zusammengefasst in einer Checkliste darstellt (siehe Abbildung 1). Diese dient als Selbstbewertungsinstrument zur Identifikation von Mobilitätsherausforderungen in der eigenen Stadt und der Ableitung von entsprechenden Handlungsbedarfen.

Abbildung 1: Entwicklung und Struktur der Checkliste. (Quelle: Fraunhofer IAO)

Abbildung 1: Entwicklung und Struktur der Checkliste. (Quelle: Fraunhofer IAO)

Vertreterinnen und Vertreter von Städten und Kommunen gewinnen dort einen holistischen Überblick über Nachhaltigkeitsherausforderungen und -anforderungen im Bereich Mobilität, um die Situation in der »Heimatstadt« bewerten zu können. Eine realistische Einordnung der eigenen Herausforderungen ist dabei ein erster wichtiger Schritt, der als Basis für die strukturierte Planung eines geeigneten Vorgehens zur Maßnahmenpriorisierung und -realisierung dienen kann.

Nachhaltigkeit ≠ Nachhaltigkeit

Beim Blick auf die existierenden Herausforderungen im Bereich nachhaltiger Mobilität ist es wichtig, den Begriff »Nachhaltigkeit« genau zu definieren. Neben der ökologischen Nachhaltigkeit im klassischen Sinne, also dem verantwortungsvollen Umgang mit (natürlichen) Ressourcen, steht der Begriff nämlich auch für die ökonomische Nachhaltigkeit, die einen Maßstab für gesundes Wirtschaften setzt. Die soziale Nachhaltigkeit berücksichtigt zudem die Sicherung von Grundbedürfnissen, eine effiziente Versorgung der Menschen sowie inklusives Verhalten. Nach diesem Verständnis lassen sich auch die Herausforderungen nachhaltiger Mobilität in die drei Nachhaltigkeitsdimensionen einteilen.

  • Ökologische Nachhaltigkeit: Neue Technologien gegen Umweltverschmutzung
  • Europäische Städte empfinden die Umweltverschmutzung als die wichtigste Herausforderung hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit im Mobilitätsbereich. Dabei geht es vor allem um die Notwendigkeit von neuen Technologien zur Produktion schadstoffärmerer Verkehrsmittel. Andererseits wird die Etablierung digitaler Plattformen (z. B. Apps) beschrieben, die unterschiedliche umweltfreundliche Mobilitätslösungen bündeln und integrieren.

  • Ökonomische Nachhaltigkeit: Starke Mobilitätsgeschäftsmodelle
  • Hier zeigt die Analyse insbesondere, dass die Geschäftsmodelle der Mobilitätsangebote noch nicht hinreichend ausgestaltet sind. In der Literatur wird beispielsweise kritisiert, dass derzeitige Modelle stark von der Automobilindustrie abhängig sind. Außerdem sind Kooperationen zwischen verschiedenen Akteuren grundsätzlich noch schwierig zu realisieren.

  • Soziale Nachhaltigkeit: Nutzungszentrierung für bessere Alternativen
  • Eine häufig genannte Herausforderung der sozialen Nachhaltigkeit ist das unzureichende Wissen über das Mobilitätsverhalten von Nutzerinnen und Nutzern vor Ort. Um nachhaltige Mobilitätslösungen zu etablieren, ist es wichtig, das Verhalten und die Reisegewohnheiten der Menschen zunächst zu verstehen und dann dahingehend zu beeinflussen, »nachhaltiger« mobil zu sein. Entsprechend liegen dem fehlenden Wissen über Mobilitätspräferenzen eine Vielzahl weiterer Herausforderungen hinsichtlich Steuerung und Entscheidungsfindung zugrunde. Eine weitere Herausforderung stellt der garantierte Zugang zu Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen dar, unabhängig von gesellschaftlichen, sozio-ökonomischen und persönlichen Faktoren.

Nachdem Sie Ihre Herausforderungen für eine nachhaltige Mobilität mittels der Checkliste identifiziert haben, können Sie diese mit dem jeweiligen Handlungsbedarf in Ihrem individuellen »Aktionsplan« auflisten. Anschließend können Sie genau festlegen, welche Aktivitäten für welche Herausforderung durch welche Zuständigkeiten erforderlich sind.

Abbildung 2: Checkliste zur Identifikation von Nachhaltigkeitschallenges im Mobilitätssektor. (Quelle: Fraunhofer IAO)

Abbildung 2: Checkliste zur Identifikation von Nachhaltigkeitschallenges im Mobilitätssektor. (Quelle: Fraunhofer IAO)

Andere Länder, andere Blickwinkel

Vielleicht denken Sie jetzt: »Gut und schön, die Probleme von anderen zu kennen. Aber was bringt mir das?« Es lohnt sich aus mehreren Gründen, einen Blick in mögliche Problemzonen nachhaltiger Mobilität außerhalb Ihres Wirkungskreises also »über den eigenen Tellerrand« zu werfen: Zum einen entdecken Sie vielleicht »versteckte« Herausforderungen, die Sie noch gar nicht auf dem Zettel hatten, aber anderenorts bereits erkannt wurden und Sie vor einer Fehlplanung bewahren. Zum anderen bieten Ihnen die Lösungen anderer Städte und Kommunen vielleicht neue Ansatzpunkte, an die Sie noch nicht gedacht haben, auf Ihrem Weg zur nachhaltigen Stadt.

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Nicolaj Motzer

Nicolaj ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Mobility Ecosystems am Fraunhofer IAO und IAT der Universität Stuttgart. Mit seiner Forschungsarbeit will er den Mobilitätswandel mitgestalten und digitalisierte Mobilitäts-Ökosysteme für alle nutzbar machen.

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Kategorien: Future Mobility, Nachhaltigkeit
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