Wissenschaftsjahr 2013: Die demografische Chance

Erfolgreich sein heißt, auch bei veränderten Bedingungen nicht an Schwung zu verlieren und den Anschluss an die Spitze zu halten. In diesem Sinne fand am 16. und 17. Mai 2013 in Berlin die BMBF-Konferenz »Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel« statt, bei welcher das Ministerium wichtige Träger aus Politik, der Sozialpartner, Industrie und Wissenschaft zum gemeinsamen Diskurs zusammenführen konnte.

Mein Fazit zu der Veranstaltung: Das Thema Demografie ist zurzeit in aller Munde und das von der Bundesregierung ausgerufene Wissenschaftsjahr trägt dazu bei, dass dem Thema in den Medien endlich viel Raum eingeräumt wird. – Aber ich stelle auch fest: Um unsere Wirtschaft für die kommenden Herausforderungen zu rüsten, darf bei aller vorbildlichen Diskussion der Fokus nicht in der Hauptsache auf Deutschlands Großunternehmen gelegt werden. Dies würde bedeuten, die Hauptarbeitgeber und damit den größten Beschäftigtenbedarf stiefmütterlich aus den Augen zu lassen. Denn den Löwenanteil von Deutschlands Arbeitgebern machen mit 99 Prozent kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus. Sie sind es, die in Summe 60 Prozent aller Erwerbstätigen beschäftigen und so auf viele kluge Köpfe angewiesen sind und sein werden. Die demografische Entwicklung wird in Deutschland daher insbesondere die KMU-Innovationsschmieden treffen, die die heutige Personalstärke auch nicht mehr werden halten können.

Warum der demografische Wandel KMU härter trifft

Verlässt man die Makroebene und betrachtet die Folgen des demografischen Wandels für verschiedene Unternehmensgrößen, so zeigen sich für KMU im Vergleich zu den »Großen« besondere Härten. Frau Icks vom Institut für Mittelstandsforschung hat diese auf der Demografietagung in ihrem Vortrag »Der demografische Wandel – Dilemma von Handwerk und Mittelstand« sehr anschaulich und überzeugend dargestellt:

ERSTENS: Geringer Nutzen aus der Zuwanderung

Um langfristig Defizite beim Arbeitskräfteangebot abfedern zu können, wird der nationale Arbeitsmarkt auf Zuwanderung angewiesen sein. Großunternehmen haben es aufgrund ihrer internationalen Ausrichtung hier wesentlich leichter, fremdsprachige Erwerbspersonen zu integrieren, da Mehrsprachigkeit der Belegschaft durchaus üblich ist und sich Unternehmen vielfach auf internationalem Parkett bewegen. In KMU dagegen existieren Sprachbarrieren deutlich häufiger. Einarbeitung und Integration fallen ohne gemeinsame sprachliche Basis aber enorm schwer, und so ist eine Behebung des nationalen Fachkräftemangels durch Zugriff auf das internationale Arbeitskräfteangebot für KMU deutlich schwieriger.

ZWEITENS: Kaum »Abpuffern« offener Stellen möglich

Große Unternehmen können vakante Stellen zumindest vorübergehend durch Umschichtung von Aufgaben auf den übrigen Teil der fachlich qualifizierten Belegschaft ausgleichen. Bei KMU hingegen konzentriert sich das notwendige Fachwissen zumeist auf eine oder sehr wenige Personen, was einem Ausgleich durch Umschichtung im Wege steht. Wichtige Schaltstellen können beim Aufbau neuer Bereiche oder durch Ausscheiden eines einzigen Mitarbeiters wegbrechen und Defizite im Fachkräfteangebot können diese Lücken langfristig bestehen lassen.

DRITTENS: Große Lücke an Fachkräften mit Abschluss einer betrieblichen Lehre bzw. Berufsfachschule

Betrachtet man den abzusehenden Fachkräftemangel genauer, wird ein weiterer Nachteil der KMU gegenüber Großunternehmen im demografischen Wandel sichtbar. Ein Blick auf die Qualifikationsstruktur von Fachkräften lässt erkennen, dass ein großes Defizit insbesondere bei Fachkräften mit Abschluss einer betrieblichen Lehre bzw. mit Berufsfachschul-Abschluss entstehen wird. Während der Bedarf an Akademikern (über alle Fachbereiche kumuliert) zukünftig kleiner bleiben wird als das Angebot (diese Pauschalaussage gilt natürlich nicht für alle Fachbereiche, anders ist es z.B. bei Ingenieuren oder IT‘lern), wird der kumulierte Bedarf an nicht-akademischen Fachkräften bereits in den kommenden vier Jahren das Arbeitskräfteangebot übersteigen. Hält man sich nun die Qualifikationsstruktur in KMU vor Augen, in der der Beschäftigten-Anteil an Fachkräften mit Abschluss einer betrieblichen Lehre bzw. Berufsfachschule wesentlich höher ist als in Großunternehmen, so wird klar: Der Konkurrenzkampf der KMU um die nicht-akademischen Fachkräfte wird deutlich härter ausfallen.

Wie handelt man als KMU mit Blick auf den demografischen Wandel richtig?

Ein Fazit für die KMU aus der vorstehenden Faktenlage lautet natürlich nicht, den Kopf in den Sand zu stecken und auf bessere Zeiten zu hoffen. Der sprichwörtliche »Mut zur Lücke« beim Thema demografischer Wandel wird sicher nicht belohnt werden.

Schillernde Recruiting-Invests oder gar dedizierte Demografie-Manager als glorreich klingende Maßnahmenpakete gegen die negativen Auswirkungen des demografischen Wandels sind nicht dem »Gros«, sondern nur den »Großen« vorbehalten – dem 1 Prozent der deutschen Unternehmen. Aber es existieren genügend Handlungsalternativen, die auch den KMU in Deutschland einen ressourcen- und kapazitäts-adäquaten Umgang mit dem Fachkräfte-Engpass ermöglichen.

»Jetzt handeln« heißt die Devise für die KMU. Sonst wird den kleinen und mittelständischen Unternehmen das süße Nichtstun bald sauer aufstoßen. Gerade KMU sollten sich auf den Wandel verstärkt vorbereiten und ein durchdachtes Demografiekonzept für die kommenden Anforderungen bereitstellen.

Die Einstellung sämtlicher betrieblicher Tätigkeit bis hin zur Geschäftsaufgabe aufgrund des Fachkräftemangels wäre jedenfalls ein herber Verlust – für jeden einzelnen KMU-Arbeitgeber und für die deutsche Wirtschaft. So gingen denn auch die Besonderheiten der KMU gegenüber den Großunternehmen und damit auch ihre entscheidenden Stärken, wie das Angebot abwechslungsreicher Tätigkeiten und die Einbindung der Beschäftigten in wichtige Unternehmensentscheidungen, verloren. Die KMU fördern heißt, wichtige Stärken bewusst machen und bewerben.

Was muss man alles tun, um sich als KMU richtig aufzustellen?

Wir bieten Ihnen im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen Baden-Württemberg pragmatische Maßnahmen an. Mehr darüber erfahren Sie in unserem Tool zur Selbsteinschätzung: »Gute Demografie-Praxis«
Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Links zum Thema:

Fachtagung »Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel« des BMBF
Faktenlage zu KMU in Deutschland (.pdf) nicht mehr erreichbar



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