Unlängst nahm ich an einem professionellen Medientraining teil. Drei Regeln blieben mir in Erinnerung, die einen erfolgreichen Medienauftritt ausmachen. Erstens: Sei selbstgewahr und authentisch. Zweitens: Formuliere klare Botschaften. Drittes: Wechsle die Perspektive und gehe auf dein Gegenüber ein. Am Ende des Trainings kam die Frage auf, ob diese Erfolgsregeln nur vor der Kamera gelten – oder ob sie auch anderweitigen Nutzen in unserer Arbeitswelt stiften können?

Neues wagen in der VUCA*-Welt

In der Zusammenarbeit mit unseren Unternehmenspartnern erlebe ich die drängenden Heraus¬forderungen in der »VUCA«-Welt, die sich aus volatilen Wertschöpfungsprozessen, verkürzten Produktlebenszyklen und verschärftem Preiswettbewerb ergeben. Um ihre komplexen Prozesse besser erfassen zu können, setzen viele Betriebe auf vernetzte Informationstechnologien. Über kurz oder lang münden solche Maßnahmen in die Suche nach neuen Arbeits- und Kooperationsformen. Es gibt gute Gründe, warum sich Instrumente wie »Design Thinking« oder »Scrum« gegenwärtig einer hohen Nachfrage erfreuen.

Derartige Kreativmethoden markieren eine Wende in den Unternehmensstrategien: Die Fähigkeit zu betrieblicher Veränderung und Innovation verdrängt allmählich die tradierten Erfolgsgaranten der industriellen Massenfertigung – wie Stabilität, Hierarchie und abgegrenzte Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsbereiche. In einer dynamischen, nach Flexibilität und Verbesserung strebenden Arbeitsgesellschaft steht der Mensch mit seinen individuellen Fähigkeiten im Mittelpunkt der Arbeitsgestaltung. Unternehmen fragen sich, wie sie die Zusammenarbeit ihrer Beschäftigten besser organisieren können, als es die tayloristische Trennung von planenden und ausführenden Tätigkeiten vorsieht. Sie probieren aus, wie Vertrauen, Eigenständigkeit und Verantwortung zur Entfaltung von gestaltender Kreativität und koordinierendem Gemeinsinn beitragen. Zugleich suchen sie nach neuen Handlungsmustern, die ihnen Orientierung und Identität vermitteln können.

Arbeitsteiliges Wirtschaften beruht auf Ausgleich

Die Erforschung von grundlegenden Mustern offenbart, wie sich wirtschaftliche Aktivitäten in Ausgleichsbeziehungen vollziehen. Bereits im Jahr 1776 beschrieb der Nationalökonom Adam Smith die Prinzipien der volkswirtschaftlichen Arbeitsteilung, die auf einem Ausgleichsverhältnis der komplementären Funktionen von Spezialisierung und Koordination beruhen. In stabilen Unternehmensstrukturen treten diese immanenten Ausgleichsmuster nur andeutungsweise hervor. Unter dynamischen Marktbedingungen hingegen stellt die Regulation einer derart instabilen Balance eine wesentliche Unternehmenskompetenz dar.

Die Managementkybernetik bezeichnet instabile Ausgleichsprozesse als Fließgleichgewicht. Sie benennt Funktionen und Informationsprozesse für eine wirksame Selbstregulation, die sowohl quantitative (z. B. Zustandsdaten) als auch qualitative Informationen (z.B. Wissen über kohärentes Systemverhalten) umfassen. Unentbehrliche menschliche Leistungen betreffen demnach eine kontextspezifische Interpretation von Informationen, eine situationsgerechte Entscheidung, sowie eine absichtsvolle Verwirklichung von Ideen. Trotz »Smart Data« werden Maschinen auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, solche schwer erfassbaren Tätigkeiten auszuführen.

Gesundheit als Indikator gelingender Selbstregulation

Selbstregulation setzt Autonomie, Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie Lernbereitschaft für eine positive Entwicklung voraus. Eine derart gesundheitsförderliche Ausgleichsfähigkeit entwickelt sich aus einem inneren menschlichen Impuls und wird durch soziale Einbindung, reflektiertes Handeln und wertschätzende Rückkopplung unterstützt. Gesundheit stellt somit einen untrüglichen Indikator für gelingende Selbstregulation – und weniger ein vordergründiges Unternehmensziel dar.

Dieser Exkurs in die Arbeitsforschung zeigt auf: Kreative und auf Veränderung zielende Tätigkeiten sind in einer VUCA-Welt nur möglich, wenn Menschen psychisch und physisch gesund sind. Dies erfordert präventive Vorleistungen für gelingende Selbstregulation. Übrigens: Wie jenes Erfolgsprinzip im Arbeitsalltag anzuwenden ist, vermittelte uns das Medientraining jüngst auf recht einprägsame Weise.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Am 28. April 2017 findet der »Tag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz« statt. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) weist hierbei auf die Notwendigkeit gesunder und menschengerechter Arbeit sowie auf einschlägige Gestaltungspotenziale hin. Vielleicht inspiriert Sie dieser Tag, um den skizzierten Sachverhalt für Ihre eigene Arbeitssituation zu reflektieren? Kann Ihnen ein zeitgemäßes Gesundheitsverständnis neue Orientierung für Ihr eigenes (Arbeits-) Leben vermitteln? Ihre Erfahrungen und Meinungen sind willkommen!

*VUCA = volatility, uncertainty, complexity, and ambiguity


Welttag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz 2017

Am 28. April 2017 findet der Tag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz statt. Der Aktionstag wurde durch das International Labour Organisation (ILO) eingeführt, um sichere, gesunde und menschenwürdige Arbeit zu fördern. Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sind ein Anliegen von Regierungen, Arbeitgebern, Arbeitnehmern und deren Familien.

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Martin Braun

Experte für menschliche Arbeit. Aufgrund umfassender Projekterfahrungen ist er überzeugt, dass Kreativität und Initiative erfolgskritische Faktoren in Unternehmen sind. In seinen Beiträgen gibt er Denkanstöße zum Human Factors Engineering und zeigt Erfolgsgeschichten auf.

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Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE), Mensch-Technik-Interaktion, New Work / Connected Work
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