Die Schwaben sind für ihren Fleiß weithin bekannt und das ist auch gut so. Weniger gut sind die gesundheitlichen Folgen intensiver Arbeit, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Ein vielfach verkannter Gesundheitsfaktor ist die richtige Beleuchtung, die nicht nur Risiken vermeidet, sondern sogar zu einer Quelle der Produktivität werden kann.

Leben mit und gegen die innere Uhr

Stellen Sie sich vor, sie müssten zweimal pro Woche nach Hawaii hin und wieder zurück fliegen. Klingt gut? Vielleicht wenn man ein paar Wochen Urlaub vor sich hat und den Zeitunterschied zwanglos ausgleichen kann. Bei zwölf Stunden Zeitunterschied ist dort Mittagszeit, wenn es bei uns Mitternacht ist. Üblicherweise kann man die ersten paar Tage nachts nicht schlafen und ist tagsüber müde. Hinzu kommt, dass es einem trotz der schwülen Hitze spätestens um drei Uhr nachmittags fröstelt, da der Körper noch im Nachtmodus ist und sich die Körperkerntemperatur auf einem Minimum befindet. Der Körper braucht pro Stunde Zeitunterschied ungefähr einen Tag, um sich an den Zeitunterschied zu gewöhnen. Die Akklimatisierung für Hawaii beträgt also rund zwölf Tage. Die Akklimatisierung nach dem Rückflug ebenso lang. Nun könnte man meinen, Hawaii-Urlaube beträfen die wackeren Schwaben hierzulande kaum und die Zeitverschiebung gegen unsere innere Uhr könnte vernachlässigt werden – doch für viele Arbeitnehmer ist eine solche Belastung Alltag.

Schichtwechsel bis der Arzt kommt

Ein Schichtarbeiter muss eine vergleichbare Belastung jede Woche aushalten, wenn er von der Tag- in die Nachtschicht wechselt. Der Körper hat sich gerade erst an den Nachtmodus gewöhnt und schon wird bei unserem schwäbischen Probanden der Rhythmus wieder radikal verändert. Hinzu kommt, dass der Körper in der Nacht das Nachthormon Melatonin produziert, welches uns müde macht. Die Produktion von Melatonin im Körper lässt sich sehr einfach durch Licht, vor allem durch Licht mit viel Blauanteil, unterbinden. Das weiß man bereits seit 2001 (www.jneurosci.org/content/21/16/6405.full.pdf). Warum sollte man dann nicht einfach die Melatoninproduktion mit blauem Licht unterbinden? Dass wir sehr sensibel auf blaues Licht am Abend und in der Nacht reagieren, zeigte auch unsere Bildschirmstudie von 2010, bei der nur ein wenig mehr Blaulicht im Bildschirm die Probanden wacher gehalten hat. Der Kabarettist Vince Ebert sagte kürzlich »wenn Edison nicht die Glühbirne erfunden hätte, säßen wir heute noch bei Kerzenlicht vor dem Fernseher«. Das wäre aus gesundheitlicher Sicht gar nicht so schlecht, vorausgesetzt wir würden beim Schauen von Netflix auf dem Tablet »f.lux« oder den »Night Shift-Modus« (Nachtschicht) von iOS benutzen. Beide lassen am Abend den Bildschirm per Software orange erscheinen und filtern dadurch das wachmachende Blaulicht.

Bei der Nachtschichtarbeit muss man sicherlich genauso konzentriert sein wie am Tage. Soll man also Melatonin unterdrücken und wach bleiben? Kommen wir zurück auf den Urlaub in Hawaii: Hat man mindestens drei Wochen Zeit für die Anpassung, ist das sicherlich sinnvoll. Dann muss man aber auch den Tag zur Nacht machen, also absolute Dunkelheit und Schlafen am Tage. Wenn man nun aber nach spätestens drei Tagen wieder zurück in die eigene Zeitzone reist? Solange sich der Körper noch nicht an die neue Zeitzone gewöhnt hat, sollte man Melatonin in der Nacht besser nicht unterdrücken.

Blaulicht oder das neue Rauchen

Melatonin macht uns nicht nur müde, sondern ist auch unerlässlich für regenerative Prozesse im Körper. Werden diese Prozesse unterbunden, kann dies zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. Die Unterdrückung von Melatonin wird sogar in Zusammenhang mit einem erhöhten Krebsrisiko gebracht (Blask 2009; Stevens 2006; Blask, Wilson & Zalatan 1997). Ist das falsche Licht also das neue Rauchen? In gewisser Weise schon. Unternehmen wie beispielsweise Festo haben diese Gesundheitsproblematik erkannt und umgehend reagiert. Ein durch das Fraunhofer IAO entwickeltes, der Gesundheit förderliches Beleuchtungskonzept wird bei den fleißigen Schwaben in Ostfildern-Scharnhausen nun im produktiven Einsatz verwendet. Das ausgeklügelte Beleuchtungskonzept fördert die Aktivierung und damit die Produktivität am Tage und kann in der Nacht trotz weitestgehend ungehinderter Melatoninproduktion den Arbeiter psychologisch wach und leistungsfähig halten. Das Fraunhofer IAO hat Festo dabei nicht nur bezüglich der optimalen Lichtkonzepte beraten, sondern auch die energieeffiziente Lichtplanung durchgeführt, die Gesamtbetriebskosten berechnet und Festo während der Umsetzung begleitet.

Die Nachtschichtarbeit ist selbstverständlich nicht mehr weg zu denken. Nicht nur in der Produktion, sondern auch in Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen, beim Reisen und in vielen anderen Bereichen sind wir von Menschen abhängig, die in der Nacht arbeiten müssen. Wenn man diesen Menschen schon so viel abverlangt, so sollte man sie bei ihrer Tätigkeit und vor allem ihre Gesundheit durch das optimale Licht unterstützen. Wie das auch ohne Kerzen geht? Damit beschäftigt sich das Fraunhofer IAO im Visual Technologies Lab.

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