Die Energiewende ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation sind vor allem schnelle, praktikable und unkomplizierte Lösungen gefragt. Grüner Strom allein kann nicht alle Probleme lösen. Kann Wasserstoff in Kombination mit anderen Energieträgern hier einen wertvollen Beitrag leisten, um uns in eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Zukunft zu führen?

Im Dickicht diverser Energieträger und Konzepte

Bei auch nur oberflächlicher Betrachtung des Energiemarkts wird schnell ersichtlich, dass gegenwärtig viele verschiedene Primärenergieträger parallel genutzt werden. Zur Auswahl stehen die klassischen fossilen Brennstoffe wie Stein- und Braunkohle (-stäube), Erdöl und Erdgas, aber auch grüne Alternativen wie grüner Strom (bspw. aus Wind oder Sonne), Biogase, Holzpellets, Hackschnitzel und modernere Lösungen wie Ammoniak oder Wasserstoff. Dazu kommen noch diverse Möglichkeiten, diese Energieträger zu transportieren. Nehme ich das Schiff, den Zug oder doch lieber den etwas teureren aber schnell verfügbaren LKW? Diese Vielfalt macht es sehr schwer, den für sich selbst am besten geeigneten Energieträger zu identifizieren.

Ist grüner Strom die Lösung?

Die Vorteile regenerativer Energiequellen liegen auf der Hand: trotz teils hoher Investitionskosten ist der Betrieb relativ günstig. Es wird abgesehen von der Herstellung der Komponenten kein CO2 produziert, somit ist die Energie in der reinen Erzeugung klimaneutral. Leider hat das Konzept auch einige Nachteile. Die äußeren Faktoren müssen gegeben sein, um eine ausreichende Energieproduktion zu realisieren. In den Sommermonaten gibt es tendenziell mehr Sonnenenergie, dafür aber weniger Wind. Im Herbst und Frühling dreht sich dieses Verhältnis im Energiemix witterungsbedingt um und gerade in den energieintensiven Wintermonaten kann es passieren, dass sowohl Solar- als auch Windenergie versiegen – Stichwort Dunkelflaute. Wetter, Wolken, Windstille und vieles mehr beeinflussen also signifikant die tägliche Energieproduktion, was tatsächlich erzeugte Energiemenge unvorhersehbarer macht. Um also eine resiliente Energieversorgung zu realisieren, ist zwingend eine Energiespeicherlösung notwendig.

Der Wasserstoff – Energiespeicher der Zukunft

Bei Überlegungen zu Energiespeicherlösungen für Strom gehen die ersten Gedanken meistens in Richtung der Batterien. Die meisten aktuell verfügbaren Batteriespeicher haben jedoch eine schlechte Langzeitspeicherwirkung aufgrund der Selbstentladung. Für die Herstellung werden zudem seltene Erden benötigt, also Materialien, die (häufig aus Krisenregionen) importiert werden müssen und damit zu einer Abhängigkeit führen. Eine immer noch viel zu selten beachtete Alternative stellt die Speicherung in Form von Wasserstoff dar. Energieüberschüsse, die beispielsweise bei Sturm von Windkraftanlagen erzeugt werden und das Netz überlasten würden, könnten einfach in Wasserstoff umgewandelt werden, welcher dann langfristig zum Beispiel in Kavernenspeichern gelagert werden kann. Dabei bietet Wasserstoff den Vorteil einer hohen Energiedichte von 120 MJ/kg (ohne Tank) im Vergleich zu einer Batterie mit 0,11 – 1,2 MJ/kg abhängig vom Batterietyp. Somit eignet sich H2 sehr gut für den Einsatz in energieintensiven Industrien wie beispielsweise der Stahlindustrie, welche bei hoher Last das Stromnetz überfordern könnten, oder auch in der Kraftwerkstechnik. Nach der Aussage von Christian Lindner (FDP) wird Deutschland zudem ein Energieimportland bleiben. Hier bieten sich langfristige Verträge zum Beispiel mit sonnenreichen Ländern wie Australien an, um die Energieversorgung mit Wasserstoff sicherzustellen.

Wird (grüner) Wasserstoff alle Probleme lösen?

Wasserstoff kann und wird nicht die alleinige Lösung der Probleme der Energiewende sein. Allen Vorteilen von H2 stehen auch Nachteile in Bezug auf die Energieeffizienz, dem technologischen Fortschritt und den momentan noch hohen Kosten entgegen. Er wird aber auf jeden Fall Teil der Lösung sein, um Deutschland in eine energetisch unabhängigere und ökologisch vertretbare Zukunft zu führen. Je nach Sektor wird sich ein effizienter Weg ergeben, welcher mit anderen Bereichen und deren optimalen Lösungen verbunden sein wird. Die große Aufgabe wird sein, ein System zu entwickeln, das alle Möglichkeiten sinnvoll verkoppelt, und damit ein resilientes und nachhaltiges Energiekonzept auf allen Ebenen zu schaffen. Dazu betrachten wir in verschiedenen Projekten wie beispielsweise dem »H2-Hafen« Heilbronn« oder »H2-ALL« die potenziellen Wasserstoff-Ökosysteme, von der Erzeugung grünen Stroms und Wasserstoffs über den Transport bis hin zum Endverbraucher.

Abbildung 1: Aufbau der Wasserstoff-Wertschöpfungskette. (In Anlehnung an H2-Innovationslabor Endbericht (2021))

Abbildung 1: Aufbau der Wasserstoff-Wertschöpfungskette. (In Anlehnung an H2-Innovationslabor Endbericht (2021))

So stellen wir fest, wie und wo sich Wasserstoff in einer Region am besten integrieren lässt. Dabei müssen alle Vor- und Nachteile betrachtet werden, wie vorhandene Infrastruktur oder strukturelle Ausrichtung, aber auch das Vorhandensein von Innovationsnetzwerken. Wichtig ist, den gesamtheitlichen Bezug immer im Blick zu behalten und keine Einzellösung anzustreben. Der Verbund, das System entscheidet darüber, ob eine Wasserstofflösung sinnvoller als andere Alternativen ist. Die Frage, ob Wasserstoff einen wertvollen Beitrag zur Energiewende leisten kann, lässt sich mit einem »Ja« beantworten, aber: Wenn, wo und wie er am sinnvollsten eingesetzt wird, hängt von vielen Komponenten und Faktoren vor Ort ab und kann von Region zu Region variieren.

Wenn Sie Fragen zu den Möglichkeiten eines Wasserstoffeinsatzes in Ihrer Region oder Ihrem Unternehmen haben, können Sie gerne mit mir Kontakt aufnehmen.

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Timo Stöhr

Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Foschungs- und Innovationszentrums Kognitive Dienstleistungen KODIS, der Außernstelle des Fraunhofer IAO am Bildungscampus in Heilbronn. Aktiv in den Themen Energiesysteme, Wasserstoff und Simulationen in den Bereichen Technik und Verkehr.

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Kategorien: Innovation, Nachhaltigkeit
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