Die Folgen eines Hochwassers abmildern, die Flüchtlingshilfe meistern, die Schäden nach einem Sturm beseitigen, und das alles unter Zeitdruck – jede BOS (Behörde und Organisation mit Sicherheitsaufgaben) und Hilfsorganisation träumt doch in einem solchen Moment von motivierten Helferinnen und Helfern, die ihnen zusätzlich unter die Arme greifen.

Oder?

Waren da nicht auch die mit den Autos der Helfer zugeparkten Dämme? Die 200 überflüssigen Brötchen? Und die an der falschen Stelle aufgebauten Feldbetten? Oh doch, die gab es. In diesen Situationen wurde der Traum von freiwilligen Helfertrupps schnell zum organisatorischen Albtraum von einer wildgewordenen Bevölkerung, der die BOS und Hilfsorganisationen an den Rand ihrer Kapazitäten (und Nerven) brachte!

Das Problem: Spontanhelfer müssen koordiniert werden

Die Koordination und Einbindung der (vermeintlich) ungelernten und unwissenden Helferinnen und Helfer erfordert einen immensen Steuerungs- und Kommunikationsaufwand. Und gerade den können BOS und Hilfsorganisationen in einer Schadenslage oft nicht leisten. Dadurch werden die gut gemeinten Hilfsangebote aus der Bevölkerung schnell zur Last – und die Freiwilligen nicht selten von den Behörden abgewiesen und nach Hause geschickt. Das hinterlässt nicht nur einen bitteren Beigeschmack bei den Helfern, sondern lässt auch die Ressourcen der Bevölkerung ungenutzt. Schade! Denn ich behaupte, die Einbindung von Spontanhelfern ist ein Gewinn für beide Seiten, könnte sogar die Ressourcen der BOS schonen und ist zugleich machbar – mit Hilfe sogenannter Mittlerorganisationen.

Die Lösung: Outsourcing an Mittlerorganisation

Beim Einsatz einer Mittlerorganisation betreibt die BOS bzw. Hilfsorganisation Outsourcing und übergibt die Koordination, Steuerung und Kommunikation mit den Spontanhelferinnen und -helfern an eine dritte Partei. Diese dritte Partei, die Mittlerorganisation, wird offiziell von den Behörden benannt und fungiert – wie der Name schon sagt – als vermittelnde Instanz zwischen den BOS und den Helfern. Die Mittlerorganisation übernimmt die Registrierung der Helferinnen und Helfer, hat einen Überblick über die angebotenen Kompetenzen und Ressourcen und kann zwischen den Angeboten der Helfer und Nachfragen der Behörden vermitteln. Zudem stellt sie den Informationsfluss zwischen den BOS und den Helfern sicher. Dazu sollte eine Vertreterin oder ein Vertreter der Mittlerorganisation im Krisen- bzw. Führungsstab einbezogen und durch einen sogenannten »Liaisons Officer« eng an die BOS bzw. Hilfsorganisation gebunden werden.

Mittlerorganisation als Ressourcen schonende, soziale Brücke

Für die BOS bzw. Hilfsorganisation ergibt sich daraus der Vorteil, dass sie nur eine Ansprechpartnerin bzw. einen Ansprechpartner bei der Mittlerorganisation hat, durch diesen Multiplikator aber auf die Ressourcen der Zivilgesellschaft zugreifen kann und Informationen aus der Zivilgesellschaft erhält, die zur Bewältigung der Schadenslage beitragen können – und das ganz ohne eigene Ressourcen für die Koordination abstellen zu müssen! Die Mittlerorganisation kann eine Brücke bauen zwischen der »command-and-control«-Kultur in den BOS bzw. Hilfsorganisationen einerseits und den flachen Hierarchien, dem spontanen Geist und der Abenteuerlust der Helferinnen und Helfer andererseits und kann als zentrale Anlaufstelle für interessierte Helferinnen und Helfer dienen.

Ein Traum, den es in Wirklichkeit nicht geben kann? Ganz und gar nicht. Team Österreich und Bürgergemeinschaft Hochwasser Wertheim e. V. haben bereits unter Beweis gestellt, dass die Einbindung von Spontanhelfern über eine Mittlerorganisation funktionieren kann! Neben der passenden Mittlerorganisation braucht es jedoch eine Portion Mut, um die bisherigen Strukturen bei den BOS und Hilfsorganisationen auf den Kopf zu stellen und sich auf neue einzulassen!

Sie sind mutig? Dann greifen Sie den Wandel an!

PS: Selbstverständlich sind alleine mit dem Einsatz einer Mittlerorganisation nicht alle (versicherungs-)rechtlichen Fragen geklärt. Hierzu braucht es eine starke Auseinandersetzung der Expertinnen und Experten des Krisenmanagements mit dem Thema sowie eine Lösung durch den Gesetzgeber. Doch daran lässt sich arbeiten! Das Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart arbeitet derzeit in enger Kooperation mit dem Fraunhofer IAO und externen Rechtsexperten an einem Gutachten, um (versicherungs-)rechtliche Fragen bei der Einbindung von Freiwilligen über Mittlerorganisationen zu klären. Falls Sie Fragen hierzu haben, wenden Sie sich gerne an uns oder werfen einen Blick in die aktuelle BBK Bevölkerungsschutz (Heft 2/2016), die sich u. a. mit den Rechtlichen Koordinaten für den Einsatz von Spontanhelfern befasst.

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Veronika Prochazka

Veronika Prochazka hat das Institut 2023 verlassen.

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