Digitale Plattformen transformieren bestehende Märkte. Sie schaffen aber auch neue Strukturen und Abhängigkeiten. Soziale Plattformen wie Facebook und Twitter dominieren die Social-Media-Welt. Im Online-Handel lassen die Plattformbetreiber Amazon und Alibaba die Konkurrenz weit hinter sich und teilen den Markt unter sich auf. Und wer für seine Internetsuche heutzutage nicht »googelt«, gilt als digitaler Exot. Doch wie lässt sich diese fortschreitende Marktzentralisierung der Plattformmärkte erklären?

Drei Faktoren sind für die Zentralisierung der Plattformmärkte im Wesentlichen verantwortlich:

1. Netzwerkeffekte – »Alle meine Freunde sind bei facebook«

Die Attraktivität von Plattformen wächst mit ihrer Netzwerkgröße und führt zu direkten und indirekten Netzwerkeffekten. Im Fall von Facebook beeinflusst die Größe des sozialen Netzwerks die vorhandene Bereitschaft neuer Nutzer zum Beitreten des Netzwerks. Je mehr Personen aus dem eigenen sozialen Umfeld dem Netzwerk angehören, desto eher sind neue Nutzer bereit, diesem beizutreten. Auch Mikro-Blogging-Plattformen wie Twitter profitieren von solchen positiven Netzwerkeffekten. Die Netzwerkgröße wirkt wie ein »soziales Incentive« auf neue Nutzer und sorgt für eine immer weiter steigende Reichweite.

Bei indirekten Netzwerkeffekten hat die Netzwerkgröße einer Nutzergruppe Einfluss auf das Verhalten einer anderen Nutzergruppe. Die Netzwerkgröße von Facebook hat beispielsweise positiven Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft von Werbetreibenden. Auch die Google-Mutter Alphabet bietet zahlreiche kostenlose Software-Dienste wie die Suchmaschine Google-Search, den E-Mail-Dienst Gmail oder das Textverarbeitungsprogramm Google Docs an. Auch hier korreliert die Größe der potenziellen Zielgruppe mit der Bereitschaft zur Schaltung gebührenpflichtiger Anzeigen. Umfang und Größe von Google-Diensten sind ein Erfolgsfaktor für das Geschäftsmodell des Suchmaschinenanbieters.

Direkte und indirekte Netzwerkeffekte sorgen dafür, dass neuen Wettbewerbern der Markteintritt erschwert wird. Die positiven Netzwerkeffekte für die großen Player sorgen umgekehrt für negative Netzwerkeffekte bei anderen Akteuren. Denn wer möchte schon einem sozialen Netzwerk beitreten, in dem man ganz alleine ist?

2. Skaleneffekte – »Ich bin eine Nummer zu groß für dich«

Von Skaleneffekten wird gesprochen, wenn die Produktionskosten aufgrund des Größenvorteils eines Unternehmens zu sinkenden Stückkosten von Produkten oder Dienstleistungen führen. Skaleneffekte kommen ursprünglich aus der industriellen Fertigung, können aber auch auf den digitalen Plattformmarkt übertragen werden.

Die Erhebung und Auswertung von Daten ist ein wesentlicher Bestandteil der Wertschöpfungskette von Plattformen. Je mehr Informationen aus der Datenanalyse abgeleitet werden können, desto genauer können Zielgruppen angesprochen werden (=Audience Targeting) und desto größer ist das Wertschöpfungspotenzial für die Betreiber. So steigt die Wertschöpfung von zahlungspflichtigen Diensten wie Google Ads und Facebook Ads mit der Treffsicherheit, mit der die entsprechende Zielgruppe angesprochen werden kann.

Da die Wertschöpfung vieler Plattformen auf der Auswertung von Daten beruht, sind diejenigen Anbieter im Vorteil, die möglichst viele Datenquellen erschlossen haben. So kann der Plattformbetreiber Alphabet bei der Datenerhebung auf seine zahlreichen Dienstleistungsangebote wie Google Search, Google Maps und YouTube zurückgreifen, die personenbeziehbare Daten im großen Stil erheben. Die Größe und Qualität des erhobenen Datenschatzes ist als ein direkter Wettbewerbsvorteil gegenüber neuen oder kleineren Anbietern anzusehen. Die Dienstleistungsangebote sind dabei nur vermeintlich kostenfrei, da Nutzer deren Verwendung mit ihren Daten bezahlen. Die Zentralisierung des Marktes wird durch diese Skaleneffekte weiter verstärkt.

3. Lock-in-Effekte – »Wechsel von iOS zu Android? Und was mache ich mit meinen ganzen Apps?«

Auch der Aufwand, der für einen Plattformwechsel betrieben werden muss, hat Einfluss auf die Zentralisierung des Marktes. So können notwendige finanzielle oder zeitliche Aufwendungen als Hindernisse wahrgenommen werden und diesen Wechsel unattraktiv machen. Bei einer Nutzung von verschiedenen Videostreaming-Anbietern wie Netflix oder Amazon Prime fallen beispielsweise mehrfache Abonnementgebühren an. Auch das Erstellen und die Pflege mehrerer Nutzerkonten führt zu einem Verwaltungsaufwand, der einem Wechsel negativ entgegenwirkt.

Ein weiteres Beispiel eines solchen Lock-in-Effekts ist der Wechsel von einem Smartphone-Betriebssystem zu einem anderen. Wer von einem Apple-iOS-Smartphone zu Android wechseln will, muss nicht nur seine Hardware, sondern auch die bisher genutzte Software (z. B. gekaufte Apps) austauschen und bezahlen. Auch der Wechsel von einer sozialen Plattform wie facebook zu einer anderen führt zu Lock-in-Effekten, da bestehende Kontakte nicht übertragen werden können. Je höher der Aufwand, der für eine Mehrfachnutzung betrieben werden muss, desto höher die Hürden für einen Plattformwechsel. Diese auftretenden Hürden werden als Lock-in-Effekte bezeichnet, da sie Nutzer an eine Plattform binden (locked-in – eingesperrt).

Dezentralisierung zum Schutz des Markts und Wettbewerbs

Die voranschreitende Zentralisierung im Plattformmarkt kann auf Mechanismen zurückgeführt werden, die durch Netzwerk-, Skalen- und Lock-in-Effekte ausgelöst werden. Diese Mechanismen führen zu einer Marktstruktur, die sich negativ auf die Wettbewerbsintensität auswirkt. Da die Zentralisierungsspirale in vielen Märkten bereits im vollen Gange ist, können kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) dieser Entwicklung nur wenig entgegensetzen. Um den Zugang zum digitalen Markt auch in Zukunft gewährleisten zu können, sind dezentrale Infrastrukturlösungen vielversprechend, an denen der Markt, die Forschung und der Gesetzgeber gleichermaßen partizipieren. Solch ein dezentraler Ansatz wird beispielsweise im Forschungsprojekt Eco Fleet Services verfolgt, in dem eine dezentral organisierte Plattform den Zugang zum Mobilitätsmarkt sicherstellen soll.

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Ilko Hoffmann

Fullstack-Softwareentwickler, der einen gesellschaftskonformen Einsatz von neuen IT-Technologien im Bereich zukünftiger Mobilität erforscht.

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