Immer wieder erlebe ich Führungskräfte, die ihre Mannschaft mit einer Drohung für Veränderungen gewinnen wollen: »Eure Arbeitsplätze sind gefährdet, wenn Ihr nicht …«. Dieses Vorgehen erzeugt – beabsichtigt oder nicht – vor allem Ablehnung und Angst. Damit wird die wichtigste Ressource jedes Veränderungsprozesses gefährdet: die Unterstützung der Menschen im Unternehmen. Es geht auch anders, vor allem, wenn man wissenschaftlich gestützte Methoden einsetzt.

Häufig handelt das Management unter Erfolgsdruck und gibt diesen in Form von strikten Vorgaben an die Belegschaft weiter, um die Menschen aus der Komfortzone hinein in einen Veränderungsprozess zu treiben. Doch gerade diese Vorgehensweise verspricht wenig Erfolg, denn sie widerspricht gleich drei wissenschaftlichen Grundlagen. Finden wir heraus, wie man es besser machen kann:

Nachhaltiger Wandel braucht nachhaltige Veränderungsmaßnahmen:

Ein Paukenschlag hinterlässt keine nachhaltige Wirkung, denn nur steter Tropfen höhlt den Stein. Gerade der Wandel hin zu einer Kultur der Eigeninitiative und des agilen Arbeitens kann nicht per Befehl eingeführt werden.

Angst ist der Tod der guten Ideen:

Zum zweiten hemmt Angst die Kreativität und führt je nach Persönlichkeit zu Passivität, Aggression oder Flucht. Veränderungsprozesse, die mit diesen Zutaten arbeiten, erreichen eher das Gegenteil von dem, was ursprünglich angestrebt wurde.

Die »Komfortzone« hat heute Seltenheitswert:

Zum dritten ist die Metapher der Komfortzone für die meisten Menschen eine Irreführung, für die es wissenschaftlich betrachtet wenig Evidenz gibt. Das verdeutlichen Burnouts und eine möglichst frühe Flucht in die Rente. Die BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen und die Gallup-Studien belegen regelmäßig, dass die Mehrzahl der Menschen sich überlastet fühlt, dass zwei Drittel keinen Sinn in ihrer Arbeit sehen und nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Jeder Sechste hat sogar bereits innerlich gekündigt.

Verzichten Sie also lieber auf den Versuch, den Leidensdruck zu erhöhen oder Ängste zu schüren. Wie es besser geht, zeigt die Veränderungsformel nach Beckhard und Harris:

Leidensdruck * Vision * Erste Schritte > Kosten der Veränderung

Nach Beckhard und Harris entsteht Veränderungsbereitschaft, wenn ein Mensch mit der Situation unzufrieden ist (Leidensdruck), eine anstrebenswerte Vorstellung der Zukunft mit persönlichen Perspektiven entwickelt (Vision) und sich der Sache gewachsen fühlt, weil er weiß, wie er das Problem anpacken kann (Erste Schritte).

Allerdings müssen Leidensdruck, Vision und Zuversicht zusammen stark genug sein, um Ängste und Vorbehalte (Kosten der Veränderung) zu überwinden. Diese Ängste und Vorbehalte resultieren wohl in vielen Fällen aus schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit. Erforderlich ist hier hauptsächlich der Aufbau von Vertrauen.

Motivation und Aktivierung für die Digitale Transformation – eine Anleitung

Wie kann man nun vorgehen, um die Menschen im Unternehmen für Veränderungsprozesse aktivieren? Binden Sie alle Beschäftigten von Anfang an in den Veränderungsprozess ein. Suchen Sie gemeinsam mit ihnen kleine Aufgaben, die Sie ohne Befürchtungen delegieren und die die Beschäftigten angstfrei übernehmen können. Denken Sie zu Beginn weniger an die Umgestaltung des Unternehmens, sondern vor allem an Perspektiven und einen spürbaren Nutzen für die Beschäftigten. Lassen Sie die Beschäftigten die Maßnahmen selbstorganisiert und eigenverantwortlich entscheiden, planen und umsetzen.

Die Aufgabenstellungen werden von Mal zu Mal anspruchsvoller und die Fähigkeiten der Beschäftigten steigen schnell. Das beiderseitige Vertrauen wächst und die Aufgaben können auch im Sinne des Unternehmens ausgerichtet werden. Wenn die Zeit reif ist, entwickeln Sie eine Vision, gemeinsam mit den Beschäftigten. Jetzt ist es soweit, am großen Rad zu drehen.

Die hier vorgestellte Vorgehensweise haben wir im Projekt AW4.0 beschrieben. Sie finden die Dokumentation unten in den Leselinks.

So geht es weiter

In der Blogreihe »Arbeitswelt 4.0« zeigen wir auf, was sich verändert, welche Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen resultieren und worauf sie im Veränderungsprozess achten sollten. Dargestellt werden Ergebnissen aus dem Projekt »DIALOG ARBEITSWELT 4.0 IN BADEN-WÜRTTEMBERG«. In diesem Projekt haben wir erforscht, wie kleine und mittelständische Unternehmen im Ländle ihre führende Position in den kommenden Jahren verteidigen können. Das Projekt wurde vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg gefördert und gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Soziologie der Universität Hohenheim bearbeitet.

Leselinks:

Axel Korge

Axel Korge hat das Institut verlassen.

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Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE), New Work / Connected Work
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