Wissenschaftsjahr 2013: Die demografische Chance

Ab jetzt werden Arbeitskräfte knapp. Erstmals im Jahr 2013 gibt es in Deutschland weniger Berufseinsteiger (20-jährige) als Rentenanwärter (65-jährige). Und das ist erst der Anfang. Die Schere wird weiter aufgehen. Wenn in etwa 20 Jahren das Maximum erreicht ist, kommt auf zwei Rentenanwärter nur noch ein Berufseinsteiger. Der demografische Wandel für Unternehmen beginnt jetzt. Unternehmen sollten sich umgehend darauf vorbereiten. Sieben Herausforderungen müssen sie dabei bewältigen:

1. Engpässen vorbeugen

Der Nachwuchs fehlt, ein Fach- und Arbeitskräftemangel steht bevor. Der Ausfall einer Fachkraft kann in spezialisierten, qualifizierten Bereichen nur schwer kompensiert werden. Wenn ein erfahrener Fräser oder ein spezialisierter Ingenieur nicht kurzfristig ersetzt werden kann, entsteht ein lokaler Engpass mit empfindlichen Störungen im Betriebsablauf. Um das zu vermeiden, sollten Unternehmen

  • Qualität und Durchlaufzeit sicherstellen
  • Flexibilität und Produktivität weiter steigern

2. Überlastungen vermeiden

Aus Engpässen droht eine Überlastung der restlichen Beschäftigten. Dauerhafte Überlastung führt aber zu Ausfällen und reißt so neue Lücken, die den Beschäftigten und dem Unternehmen schaden.

  • Demotivation, Krankheit und Frühverrentung verhindern
  • Teufelskreis der Überlastung vermeiden

3. Beschäftigungsreserven erschließen

Weil der Nachwuchs ausbleibt, müssen die Beschäftigten bis 67 arbeiten – als Flexibilitätsreserve eventuell sogar freiwillig darüber hinaus. Frühverrentung verbietet sich, wenn es nicht genügend Berufseinsteiger gibt. Zusätzlich sind die Unternehmen auf brachliegende Beschäftigungsreserven angewiesen:

  • Einwanderer trotz Probleme durch fremdartige Kultur und Sprache integrieren
  • Arbeitslose einlernen
  • Frauen die Vereinbarung von Familie und Beruf erleichtern

4. Beschäftigte gesund und leistungsfähig halten

Damit möglichst viele Menschen bis 67 arbeiten können und wollen ist es unerlässlich, die Arbeitsbedingungen bereits für die Jungen gesund und motivierend zu gestalten. Damit werden auch Krankheitstage und Einsatzbeschränkungen (die im Alter zunehmen) reduziert. Es geht nicht nur darum, Belastungen zu senken. Zusätzlich gilt es, Unterstützung zu organisieren und Widerstandskräfte zu stärken. Gesundheitsexperten nennen dies Ressourcen aufbauen.

  • Arbeitsplätze ergonomisch gestalten und dauerhaften Stress vermeiden
  • Handlungsspielräume und Abwechslung einräumen
  • Lernanreize schaffen und Beschäftigte lebenslang weiterentwickeln
  • Ein faires und angenehmes Arbeitsklima sicherstellen

5. Die Menschen angemessen einsetzen

Aus dem Altern der Belegschaft ergeben sich durchaus Chancen, denn Erfahrung und Weisheit sind Ressourcen vor allem der älteren Mitarbeiter. Viele Unternehmen ließen diese Potenziale bisher weitgehend ungenutzt brach liegen. Unternehmen brauchen individualisierte und hochproduktive Arbeitsmöglichkeiten, ohne die Vorteile der Standardisierung über Bord zu werfen.

  • Leistungsunterschiede (die mit dem Alter zunehmen) kreativ nutzen
  • Beschäftigte mit Einsatzbeschränkungen (z.B. keine Nachtschicht) produktiv einsetzen

6. Den Generationenwechsel aktiv gestalten

Die geburtenstarken Jahrgänge nähern sich dem Rentenalter. Sie werden innerhalb weniger Jahre das Unternehmen verlassen, mit ihnen gehen viel Wissen und Erfahrungen. Dieser rapide Generationswechsel muss aktiv gestaltet werden.

  • Ermitteln, wer wann voraussichtlich ausscheiden wird
  • Nachfolge rechtzeitig planen, einstellen und qualifizieren
  • Wissen pragmatisch managen

7. Humanisierung und Produktivität gleichrangig berücksichtigen

Im Kampf um Arbeitskräfte müssen Unternehmen sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Eine wirkungsvolle und vergleichsweise kostengünstige Maßnahme hierfür ist die weitere Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Beim letzten Arbeitskräftemangel um 1980 (der wesentlich schwächer und kürzer war) hat ein Kampf um Arbeitskräfte die »Humanisierung der Arbeit (HdA)« ausgelöst. Damals wurde aber die Produktivität etwas vergessen.

  • Die Menschen in einem systematischen Planungsprozess frühzeitig berücksichtigen
  • Humanisierung und Produktivität gleichzeitig erreichen

Vom demografischen Wandel spüren die Unternehmen bislang allenfalls die Spitze des Eisbergs. Schon in naher Zukunft wird ausreichender Nachwuchs tatsächlich ausbleiben und das Durchschnittsalter der Belegschaft wird noch einmal spürbar ansteigen. Ein Blick auf die Bevölkerungspyramide zeigt, dass dies keine schnell vorübergehende Erscheinung ist, sondern die Unternehmen über zwei bis drei Jahrzehnte begleiten wird. Den demografischen Wandel auszusitzen kann nicht gelingen, es ist höchste Zeit, sich als Unternehmen darauf vorzubereiten.

Sicherlich gibt es noch ungelöste Probleme, aber viele Maßnahmen können Unternehmen bereits heute angehen. Die Unternehmen werden gestärkt aus dem demografischen Wandel hervor gehen. Denn sie werden die Potenziale der Menschen lebenslang entwickeln und durch attraktive Arbeitsbedingungen echte Motivation schaffen. Damit wird der Grundstock gelegt, nicht nur die Produktivität intelligent weiter zu erhöhen, sondern auch die erhöhte Innovationsgeschwindigkeit und die wachsende Volatilität der Märkte zu bewältigen.

Das Fraunhofer IAO ruft derzeit einen Arbeitskreis ins Leben, in dem Produktionsunternehmen gemeinam mit Experten eine Leistungsförderliche Arbeitsgestaltung im demografischen Wandel vorantreiben. Wenn Sie Interesse an einer Beteiligung haben oder spezielle Fragen zur Situation in Ihrem Unternehmen, freuen wir uns über einen Kontakt.

Axel Korge

Axel Korge hat das Institut verlassen.

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Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE), New Work / Connected Work
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