Ambient Mobility Lab

Bis vor nicht allzu langer Zeit funktionierte in der Taxibranche alles nach altbekannten Mustern: der Fahrgast ruft an oder winkt und erklärt, man möge sich doch bitte um eine rasche und sichere Beförderung der eigenen Person von A nach B kümmern – gegen entsprechendes Entgelt, versteht sich. Prinzipiell hat sich das auch in den letzten Jahrzehnten kaum geändert – und genau das ist das Problem.

Im Zuge des Forschungsprojekts »Future Urban Taxi« des Fraunhofer IAO in Kooperation mit dem Senseable City Lab am Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat sich eine studentische Gruppe der Hochschule Reutlingen mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist eine spannende Projektarbeit mit dem Titel »Zukunftsbranche Taxi?« am Fallbeispiel der Stadt Stuttgart. Zunächst wurden darin die Besonderheiten weltweit neuer Geschäftsmodelle vorgestellt und anschließend der klassische Taxisektor in Stuttgart detailliert untersucht. Erklärtes Ziel dabei war es, potenzielle Handlungsempfehlungen für die Taxibranche aber auch für die Stadt abzuleiten, welche zu zukünftigen Verbesserungen der bestehenden Situation führen können.

Status Quo – eine Branche in Aufruhr

Der Taxisektor ist einer der letzten streng regulierten Märkte in Deutschland und kämpft seit geraumer Zeit mit einer Vielzahl von neuen Herausforderungen. Beförderungszahlen stagnieren, die digitale Konkurrenz drängt in Form von Vermittlungs-Apps auf den Markt und der seit kurzem eingeführte Mindestlohn treibt dem ein oder anderen Taxiunternehmer die Schweißperlen auf die Stirn. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ohnehin schon die mangelnde Wirtschaftlichkeit beklagt wird und aktuellen Schätzungen zufolge zudem rund 20 Prozent aller Fahrten am Fiskus vorbei abgerechnet werden.

Die wohl größte Sorge der alteingesessenen Akteure sind die neuen, alternativen und innovativen Anbieter wie z.B. Uber. Mit der Kernidee, die Personenbeförderung per App an private PKW-Besitzer zu vermitteln, bewegt sich Uber aktuell noch in einer rechtlichen Grauzone und stößt damit bei den klassischen Taxifahrern auf keine allzu große Gegenliebe. Das ist auch der Grund, warum sich Stuttgarter Taxizentralen mittels einer Unterlassungsklage schon im Vorfeld gegen einen potenziellen Markteintritt des Unternehmens zur Wehr gesetzt haben. Obwohl zurzeit keine konkreten Maßnahmen zur Änderung der Gesetzeslage vorgesehen sind, fühlt sich die klassische Taxibranche bedroht. Aus gutem Grund, denn Experten gehen davon aus, dass viele der Regulierungsbestandteile im digitalen Zeitalter überholt sind und mittel- bis langfristig die Vorschriften gelockert werden müssen.

Was kann getan werden, um die Weichen für die Zukunft zu stellen?

Aus den Analyseergebnissen wurden in der Projektarbeit potenzielle Handlungsempfehlungen entwickelt und hinsichtlich ihrer Relevanz bewertet.
Klassische Taxiunternehmen stehen Veränderungen meist sehr skeptisch gegenüber, während alternative Anbieter sich überwiegend dafür aussprechen. Die rechtlichen Vorgaben und Regulierungen stellen dabei den kritischsten Punkt in der Taxibranche dar. Die Meinungen der verschiedenen Akteure zu den einzelnen Aspekten gehen teils deutlich auseinander.

Allerdings bestand Konsens, dass sich die Branche verändern muss, vor allem durch neue Technologien, wie z.B. bargeldlose Bezahlungen oder anwenderfreundlichere Taxibestellungen. Der Einsatz solcher Technologien kann dabei helfen, neue Kundensegmente zu erschließen. Außerdem werden von den Experten nahezu übereinstimmend eine bessere Integration in das ÖPNV-Netz, die Bereitstellung von Sonderausstattungen und das Offerieren von zusätzlichen Serviceleistungen wie z.B. Gütertransporte befürwortet.

Abwarten und hoffen oder anpacken und handeln?

Alle beteiligten Akteure müssen sich mit den neuen Herausforderungen und veränderten Rahmenbedingungen der Branche auseinandersetzen. Gerade weil die aktuelle Marktsituation angespannt ist, müssen Innovationen vorangetrieben werden, damit das Taxi wieder als attraktive Mobilitätsform wahrgenommen wird. Bislang kämpfen die klassischen Akteure allerdings noch um den Erhalt ihrer rechtlichen »Schutzzone«, häufig wider besseres Wissen, wie die Analyse zeigt. Sollten sich die Gesetze jedoch ändern oder gelockert werden, wie z.B. schon Anfang 2013 im Fernbusmarkt geschehen, wird sich sich die Marktsituation ohnehin von Grund auf ändern.

Das Mobilitätsverhalten sowie die Ansicht darüber, was Mobilität kosten darf, haben sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Mit Fernbussen und Billigfliegern ist es möglich, halb Europa günstiger zu bereisen, als eine durchschnittliche Taxifahrt vom Flughafen bis in die Innenstadt kostet. Die interessanten Carsharing-Konzepte sowie Mitfahrzentralen tragen ihr Übriges dazu bei. Es bleibt somit spannend, inwiefern sich die alternativen Geschäftsmodelle auf dem Markt beweisen können und ob die Regierung gesetzliche Änderungen vornehmen wird – nur so können wirklich tiefgreifende Änderungen umgesetzt werden. Das klassische Taxi als Verkehrsmittel wird natürlich vorerst weiterhin Bestand haben. Allerdings gilt es abzuwarten, inwieweit sich der strukturelle Wandel auf diesen Bereich auswirken wird.

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