Wenn wir an Roboter denken, kommen uns stereotype Bilder in den Kopf: Service-Roboter als Alltagsbegleiter für ältere Menschen, als Blechkamerad in der Zaubershow oder als Concierge im Hotel. In unserem Alltag begegnen uns Roboter, abgesehen vom heimischen Saugroboter, allerdings so gut wie nie. Von den omnipotenten Superhelden, zu denen sie in Science Fiction-Darstellungen gerne hochstilisiert werden, sind aktuell verfügbare Roboter noch weit entfernt. Dennoch könnten Service-Roboter im Kundenkontakt in vielen Einsatzbereichen und Anwendungsfällen bereits nützliche Aufgaben übernehmen, wie verschiedene Pilotstudien zeigen und ich in meiner Forschung auch schon erlebt habe. Damit aus der Zukunftsmusik eines breiten Einsatzes Realität wird, gibt es aber noch einiges zu tun.

Gedankenexperiment: Einsatzfall Supermarkt

Stellen Sie sich vor, Sie eröffnen einen neuen Lebensmittelmarkt. Wie könnte ein Serviceroboter hier so eingesetzt werden, dass er Kund*innen neugierig macht und anzieht? Zum Beispiel so…

Ihr Werbeslogan für ein digitales Einkaufserlebnis macht sich bezahlt und schon in den ersten Wochen strömen die Kund*innen in Ihren Markt. Darunter auch Frau Klaus. Sie ist sehr überrascht, dass sie im Eingangsbereich von einem freundlich aussehenden Roboter begrüßt wird, der sich als »Luca« vorstellt, ihr einen angenehmen Einkauf wünscht und auf einem Display einen Überblick über den Markt anbietet. Über die persönliche Ansprache ebenso verdutzt wie erfreut macht Frau Klaus sich auf den Weg in den Laden und erkundet das Angebot.

Vor allem die Gemüseabteilung des neuen Markts hat es ihr angetan, super Auswahl und immer frisch. Seit einigen Wochen geht Frau Klaus eigentlich nur noch in Ihrem Markt einkaufen. Inzwischen hat sie auch schon mehrfach beobachtet, wie andere Kund*innen mit »Luca«, dem Roboter, gesprochen haben und ihm danach durch den Markt gefolgt sind. Also versucht sie ebenfalls ihr Glück und fragt ihn nach den genauen Anbaubedingungen der Quinoa, die aktuell im Angebot ist. Zu ihrer Überraschung weiß »Luca« sehr genau Bescheid und zeigt ihr sogar Bilder der Felder. Die Frage nach einem passenden Wein gibt »Luca« dann aber doch an eine Mitarbeiterin weiter. Mit so feinen Geschmacksnuancen kenne er sich nicht so gut aus, scherzt er, woraufhin Frau Klaus sogar kurz grinsen muss.

Abbildung 1: Im Einzelhandelsszenario glänzt der Service-Roboter beispielsweise mit Detailwissen zu einer Vielzahl der angebotenen Produkte.


Abbildung 1: Im Einzelhandelsszenario glänzt der Service-Roboter beispielsweise mit Detailwissen zu einer Vielzahl der angebotenen Produkte. (© Fraunhofer IAO)


 

Was Service-Roboter heute schon können…

Betrachtet man die vielfältigen Feldstudien und Praxistests mit Service-Robotern der letzten Jahre, erscheint dieses Szenario durchaus zeitnah umsetzbar. Vergleichbare Einsatzfelder für verschiedene Arten von Service-Robotern wurden in den letzten Jahren im Einzelhandel, bei Banken und Museen, in kommunalen Verwaltungen sowie in den Bereichen Touristik und Mobilität erprobt.

In unserer aktuellen Studie zum Einsatz von Service-Robotern im Kundenkontakt (siehe Leselinks) haben wir veröffentlichte Berichte zu diesen Erprobungen analysiert. Dabei haben wir fünf Tätigkeiten identifiziert, die die Roboter aktuell übernehmen können, um Mitarbeitende zu entlasten und das Kundenerlebnis zu verbessern:

Inhalt

  • Kund*innen in Empfang nehmen: Roboter können als erster Kontaktpunkt im jeweiligen Service-Ökosystem zum Einsatz kommen. Sie können Fragen und Anliegen der Kund*innen aufnehmen und die jeweils notwendigen nächsten Schritte entweder eigenständig initiieren oder an den zuständigen Mitarbeitenden übergeben.
  • Informationen bereitstellen: Als intelligente, mobile Informationsterminals können Roboter hervorragend mit umfangreichen und detaillierten Daten umgehen. Über eine Sprachausgabe und integrierte Displays können die Informationen Kund*innen zielgerichtet und gegebenenfalls mehrsprachig vermittelt werden.
  • Kund*innen begleiten: Eine zuverlässige Navigation vorausgesetzt können Roboter Menschen auch durch unübersichtliche Gebäude zu ihrem Ziel begleiten, beispielsweise zu einem bestimmten Raum, der zuständigen Person oder einem gesuchten Produkt.
  • Dinge holen und bringen: Darüber hinaus können Roboter auch Hol- und Bringdienste übernehmen und damit Mitarbeitenden beispielsweise zeitraubende Wegstrecken abnehmen.
  • Kund*innen unterhalten: Lassen sich Wartezeiten nicht vermeiden, können Roboter auch zur Unterhaltung der Kund*innen, beispielsweise durch kleine Spiele, eingesetzt werden. Die mit der Unterhaltung verbundene geistige Aktivierung kann aber auch der eigentliche Zweck des Roboters sein, wie in unserem aktuellen Projekt »NIKA« (siehe Projektvorstellung in den Leselinks).

    Abbildung 2: Fünf Aufgabenbereiche dominieren in bisherigen Erprobungen die Einsatzszenarien für Service-Roboter im Kundenkontakt: Kund*innen in Empfang nehmen, Informationen bereitstellen, Kund*innen begleiten, Dinge holen und bringen sowie Kund*innen unterhalten.

    Abbildung 2: Fünf Aufgabenbereiche dominieren in bisherigen Erprobungen die Einsatzszenarien für Service-Roboter im Kundenkontakt: Kund*innen in Empfang nehmen, Informationen bereitstellen, Kund*innen begleiten, Dinge holen und bringen sowie Kund*innen unterhalten. (© Fraunhofer IAO)


     

    Positive Service-Robotik: Eine Vision? Ein Ziel!

    Um Service-Roboter in der Praxis mit diesen Tätigkeiten betrauen zu können, reicht es jedoch nicht aus, dass sie technisch dazu in der Lage sind. Damit die Roboter langfristig akzeptiert und gerne genutzt werden, muss ihr Einsatz für alle Beteiligten angenehm und gewinnbringend – oder kurz: positiv – gestaltet werden. »Positive Service-Robotik« nimmt dabei ganz klar die Mitarbeitenden und Kund*innen in den Fokus, also die Menschen, die mit dem Roboter interagieren. »Positive Service-Robotik« bedeutet, dass die Roboter Teil des Service-Ökosystems werden und dort mit den menschlichen Mitarbeitenden Hand in Hand arbeiten, um Kund*innen den besten Service zu bieten. Und dass sie nutzenstiftende Aufgaben übernehmen und die Mitarbeitenden dort entlasten, wo sie entlastet werden wollen. Dadurch können sich die Mitarbeitenden auf die Aufgaben konzentrieren, bei denen menschliche Eigenschaften wie Empathie unabdingbar sind.

    Gleichzeitig sollen die Kund*innen die Roboter als Bereicherung empfinden und die Interaktion mit ihnen als intuitiv und nahtlos erleben. Steht Ihnen »Luca« bei Ihrem ersten Supermarktbesuch plötzlich gegenüber, werden Sie ihn nur dann als sympathische Ergänzung zum menschlichen Personal wahrnehmen, wenn Sie innerhalb weniger Sekunden verstehen, wie Sie mit ihm kommunizieren können und was er als nächstes tun wird. Ebenso muss »Luca« in der Lage sein, Anliegen, die er selbst nicht bearbeiten kann, an zuständige Mitarbeitende weiterzugeben – und zwar so, dass Sie als Kund*in sich weiterhin kompetent beraten fühlen. Darüber hinaus berücksichtigt »positive Service-Robotik« auch ethische Fragestellungen des Roboter-Einsatzes und seiner Gestaltung. Dazu zählen beispielsweise Aspekte der Datenverarbeitung (Wie erfasst und speichert »Luca« Ihre persönlichen Daten?) und möglicher Manipulation (Bringt »Luca« Sie möglicherweise dazu, Ihr Kaufverhalten zu ändern?) ebenso wie der Blick auf gesamtgesellschaftliche Fragen (Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?).

    Für den breiten und dauerhaften Einsatz von Service-Robotern im Kundenkontakt gilt es, diese Fragen stärker in den Fokus zu nehmen. Morgen stellt mein Kollege Daniel Ziegler in seinem Blogbeitrag erste Gestaltungsideen für Nutzungserlebnisse in der positiven Service-Robotik vor, über die Sie sich auch in unserer aktuellen Studie zum Thema »Service-Roboter im Kundenkontakt« (siehe Leselinks) näher informieren können. Wir machen uns damit auf den Weg, die Zukunft eines alltäglichen Lebens mit Service-Robotern zu gestalten. Kommen Sie mit!

    Leselinks:



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