Wissenschaftsjahr 2013: Die demografische Chance

In meinem gestrigen Blogbeitrag habe ich versucht zu zeigen, warum eine frühe Integration von Älteren und Pflegekräften die Marktchancen von Ambient Assisted Living (AAL)-Lösungen verbessern kann. Heute möchte ich am Beispiel des Forschungsprojekts »GeniAAL« zeigen, wie eine solche Nutzerintegration funktionieren kann und welche weiteren Vorteile sie bringt.

Bedienung per Handwink: Hygienisch und einfach

Das Kürzel »GeniAAL« steht für ein Verbundforschungsprojekt zur Entwicklung und Erprobung einer Gestensteuerung für multi-modale Systeme im Umfeld von AAL, die älteren Menschen alltägliche Aufgaben und Pflegekräften die Arbeit erleichtern soll. Hierfür haben wir vier Szenarien ausgewählt, bei denen eine Gestensteuerung signifikante Vorteile für Pflegekräfte oder ältere Menschen verspricht. In einem Szenario soll beispielsweise eine Kamera mit Hilfe der Gestensteuerung berührungslos bedient werden und so Pflegekräfte bei der Dokumentation von Wunden bei älteren Menschen unterstützen. Durch die berührungslose Bedienung der Kamera wird einerseits die Übertragung von Viren und Bakterien reduziert, andererseits ersparen sich die Pflegekräfte das häufige Wechseln von Einmal-Handschuhen während der Wunddokumentation.

Einfach ausprobieren: Auf der Suche nach passenden Gesten

Damit die Gestensteuerung einen hohen Nutzen für Pflegekräften erzeugt und somit von ihnen akzeptiert wird, muss sie problemlos in die alltäglichen Prozesse integrierbar sowie leicht erlernbar sein. Für »GeniAAL« haben wir deshalb bereits bei der Suche nach geeigneten Gesten Pflegekräfte miteinbezogen. Dabei wurden 33 Pflegekräfte darum gebeten, spontan Gesten für die später zu bedienenden Kamerafunktionen vorzumachen. Aus den am häufigsten vorgemachten Gesten wurden zwei in sich stimmige Gestensets gebildet. Anschließend wurden die Gesten von weiteren 14 Pflegekräften anhand verschiedener Tests auf ihre »Intuitivität«, »Erlernbarkeit« und »Integration in die Arbeitsprozesse« überprüft. Auf diese Weise wurden Gesten für die berührungslose Bedienung der Kamera identifiziert, die für die späteren Anwender möglichst intuitiv sind und daher einen hohen Nutzen stiften.

Mehrwert entdecken: Sprachaufnahme für Dokumentation

Die frühe Integration der Endanwender hat uns zudem weitere Impulse für die Ausgestaltung der Gestensteuerung geliefert. Viele der befragten Pflegekräfte erklärten uns zum Beispiel, dass die schriftliche Beschreibung der Wunde zu den zeitaufwendigsten und dennoch vorgeschriebenen Bestandteilen der Wunddokumentation gehört. Um dieses Verbesserungspotenzial zu nutzen, wird die »GeniAAL«-Gestensteuerung deshalb um die Funktion der Sprachaufnahme erweitert, die mittels Geste von der Pflegekraft ausgelöst werden kann. Die verbale Beschreibung soll anschließend mit Hilfe eines Diktierprogramms automatisch in Schriftform gebracht und gemeinsam mit dem Foto der Wunde in einer digitalen Patienten-Akte abgelegt werden. Diese zusätzliche Funktion bedeutet für die Pflegekräfte eine erhebliche Zeitersparnis und steigert somit den Kundennutzen der Gestensteuerung erheblich. Darüber hinaus entstanden aus dem Nutzerbedürfnis auch neue Ideen für ein Geschäftsmodell der Gestensteuerung. So könnten beispielsweise Unternehmen aus dem Dokumentationswesen das »GeniAAL«-System gemeinsam mit einer elektronischen Patientenakte anbieten und somit eine nutzerzentriete Problemlösung anbieten.

Ob sich die entwickelte Gestensteuerung für den AAL- und Pflegebereich nach Projektende erfolgreich auf dem Markt etablieren kann, bleibt natürlich abzuwarten. Fest steht jedoch, dass die frühzeitige Integration von Pflegekräften und Älteren die Nutzenorientierung des Systems entscheidend verbessert hat.

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Kategorien: Mensch-Technik-Interaktion, New Work / Connected Work
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