Wissenschafts­jahr 2018: Arbeitswelten der Zukunft
Wissenschafts­jahr 2018: »Arbeitswelten der Zukunft« ist das Thema des Wissenschaftsjahres 2018. Dabei geht es um Fragen, wie sich Arbeit in Zukunft verändert und welche Rolle Forschung und Wissenschaft bei der Bewältigung dieser Veränderungen spielen.

Dass Autonomie ein essentieller Faktor ist, um die Motivation, das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit von Wissensarbeitern positiv zu beeinflussen, zeigten wir im ersten Beitrag unserer Artikelserie. Genauso, dass sich das Arbeiten abseits des Büros positiv auf die Ideenentstehung auswirkt. Mit diesen Erkenntnissen im Hinterkopf könnte man schnell auf den Gedanken kommen, dass der Arbeitsort Büro heutzutage ausgedient hat. Aber ist das tatsächlich so und vor allem: Ist es zielführend, Investitionen in das Büro zurückzufahren?

Mehr Büropräsenz trotz Digitalisierung?

Verfolgt man die Nachrichten zum Thema, so erscheint es einem fast schon paradox, was in letzter Zeit passiert. Obwohl wir heute so einfach wie nie zuvor mobil arbeiten können, legen gerade Unternehmen aus der IT-Branche – also diejenigen, die uns die Werkzeuge an die Hand geben, um überall zu arbeiten – wieder verstärkt Wert darauf, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem Ort zusammenkommen.

Den Anfang machte vor über vier Jahren Yahoo und weitere Firmen wie HP folgten diesem Beispiel. Die größte Überraschung war die Ankündigung von IBM im Mai letzten Jahres. Ausgerechnet IBM, also das Unternehmen, welches wie kaum ein anderes das ortsunabhängige Arbeiten proklamiert hat, macht die Rolle rückwärts und teilt Tausenden Mitarbeitern mit: »Move or Leave«. Anders gesagt: Zieht um, sodass ihr ins Büro kommen könnt, oder verlasst die Firma.

Unweigerlich fragt man sich, warum Unternehmen – und gerade die IT-Größen – im Jahr 2017 solch einen Schritt unternehmen und die physische Präsenz in den Vordergrund stellen.

Face-to-Face-Kommunikation als Treiber für Kreativität

Dahinter steckt die Erkenntnis, dass der persönliche Austausch einer der Treiber für die Entstehung von Kreativität und die Verbreitung neuer Ideen und Innovationen ist.

Verschiedene Entwicklungen verdeutlichen dies. Wie in unserer Studie Faszination Coworking zu lesen ist, ist eine wesentliche Ursache für die Entstehung von Coworking Spaces im Outsourcing von IT-Dienstleistungen zu sehen. Um die Jahrtausendwende gab es eine regelrechte Outsourcing-Welle, in deren Folge zahlreiche kleine IT-Dienstleister entstanden sind. Und »klein« bedeutet in diesem Zusammenhang häufig: Ein-Personen-Betrieb. Arbeitet man alleine, so ist man natürlich prädestiniert, um von zu Hause aus zu arbeiten.

Könnte man meinen.

Denn recht schnell zeigte sich vielen dieser Einzelkämpfer, dass projektorientiertes Arbeiten auf Basis zeitlich befristeter Verträge zwar Freiheit mit sich bringt, auf der anderen Seite aber der Arbeitsplatz als eingerichteter und organisierter Ort und vor allem als Ort der sozialen Interaktion verloren geht.
Der Software-Entwickler Brad Neuberg brachte dieses Spannungsfeld im Jahr 2006 auf den Punkt:

»I could either have a job which would give me structure and community or I could be a freelancer and have freedom and independence – Why couldn’t I have both?«

Die einfache Lösung: Büroflächen gemeinsam nutzen.

Übrigens: Auch wenn der englische Begriff etwas anderes suggeriert, sind erste Vorläufer von Coworking Spaces nicht in den USA entstanden, sondern in Berlin oder in Wien. Und wer Wien kennt, dem dürfte die Kaffeehauskultur nicht unbekannt sein. Gewisse Parallelen zum Ambiente und Spirit in heutigen Coworking Spaces sind nicht zufällig.

Im Schnitt spricht ein Coworker pro Tag mit fünf unterschiedlichen Personen. Die sozialen Aspekte gelten unter Coworkern auch als die wichtigsten Gründe, warum sie sich für einen spezifischen Space entscheiden. Wie vorteilhaft das aus Nutzersicht außerdem sein kann, sieht man daran, dass neun von zehn Nutzerinnen oder Nutzern ein gesteigertes Selbstvertrauen empfinden und rund 70 Prozent sich verglichen mit ihrer Zeit als allein Arbeitende gesünder fühlen.

Und was ist jetzt mit Home Office und Co.?

Eine weitere Studie aus der Schweiz zum Thema Home Office verdeutlicht weiter, wie wichtig den meisten Menschen ein gemeinsamer Arbeitsort ist: Auf die Frage »Nach wie viel Zeit des Arbeitens im Home Office ist es für Sie wichtig, sich mit Kolleginnen und Kollegen wieder face-to-face zu treffen«, antwortete fast jeder Dritte, dass dies bereits nach einem Tag der Fall sei. Weitere knapp 45 Prozent sagten, dass der persönliche Austausch nach zwei bis drei Tagen erforderlich sei.

Muss ich mich als Unternehmen dann überhaupt noch mit Betriebsvereinbarungen zur Mobilarbeit auseinandersetzten? Ja, das sollte man. Wie ja schon im letzten Beitrag gezeigt, sollte man es seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen, unkompliziert einen Tag von zu Hause aus oder an anderen inspirierenden Orten zu arbeiten, weil auch das dazu beiträgt, dass Menschen mehr Ideen entwickeln.

Investitionen ins Büro lohnen sich

Untersucht man den Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit dem Büro und den zentralen Erfolgsfaktoren eines Wissensarbeiters, werden stark positive Korrelationen sichtbar. Mitarbeitende, die mit ihrer Büroumgebung sehr zufrieden sind, haben tendenziell auch ein höheres Wohlbefinden, eine höhere Motivation, eine bessere Performance und eine höhere Bindung (»Commitment«) als diejenigen, die eher unzufrieden mit ihrer Büroumgebung sind.

Zu den drei Faktoren mit dem größten Einfluss gehören:

  1. 1. Zufriedenheit mit der Möblierung
  2. 2. Zufriedenheit mit der Akustik
  3. 3. Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten

Die drei Faktoren mit dem größten negativen Einfluss sind:

  1. 1. Eine hohe Arbeitsplatzdichte
  2. 2. Störungen durch vorbeilaufende Personen
  3. 3. Ständige Beobachtung am Arbeitsplatz

Daneben spielen aber weitere Einflüsse eine gewichtige Rolle. Dass die IT-Ausstattung heutzutage stimmen muss, mag wenig überraschen. Auffällig ist, dass vor allem die positiv wirkenden Einflüsse zusammengenommen eines bedeuten: Ein gutes Büro muss vielfältige Arbeitsmöglichkeiten bieten. Ausreichend Besprechungsmöglichkeiten, aber auch der Rückzug darf nicht zu kurz kommen. Genauso wie die Möglichkeit, sich für ein paar Minuten erholen zu können. Und noch etwas sticht ins Auge: Nutzer einer »lässig gestalteten« Umgebung sind eher zufrieden mit ihrem Büro als diejenigen, deren Büro konventioneller gestaltet ist. Wie sieht es bei Ihnen so aus? Auch hier tun sich Parallelen zur Gestaltung vieler Coworking Spaces auf!

Selbstverständlich benötigt es noch einiges mehr an konzeptionellen Elementen, um ein Büro zu schaffen, welches den Nutzerinnen und Nutzern das bestmögliche Umfeld für ihre Arbeit bietet. Grundlegend für ein gelungenes Konzept ist, dass dieses auf die Arbeitsweisen und Kultur des Unternehmens abgestimmt ist. Hierzu haben wir im Office 21®-Verbund Arbeitstypen empirisch ermittelt. Für diese Typen lässt sich im Einzelnen darstellen, welche Büroform sich am besten für sie eignet.

Office21
Office 21® – Zukunft der Arbeit
Im Verbundforschungsprojekt Office 21® erforschen wir diesen Wandel und entwickeln konkrete Handlungsoptionen zur erfolgreichen Gestaltung und Einführung dieser zukünftigen Arbeitswelt in den Unternehmen.https://office21.de/

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Dennis Stolze

Leitet das Team »Cognitive Environments« und beschäftigt sich liebend gerne mit IoT und Datenanalysen. Mit seinem Team entwickelt er smarte Umgebungen für die Büro- und Wissensarbeit, die Versorgung pflegebedürftiger Menschen und Reisende – vom einzelnen Arbeitsplatz bis hin zum ganzen Quartier.

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Kategorien: New Work / Connected Work
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