Seit gestern überschlagen sich die Meldungen über den neuesten Vorstoß von Apple und Facebook, Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Mit der Kostenübernahme für das Einfrieren von Eizellen soll es jungen Frauen leichter gemacht werden, sich unbeschwert und – vor allem – mit Volldampf der eigenen Karriere und damit auch dem Erfolg des Unternehmens widmen zu können. Kinder sind dann später, wenn Frau fester im Sattel sitzt, immer noch »realisierbar«. Und man hat dann überdies auch noch mehr Zeit, sich für dieses »Projekt« den passenden Vater zu suchen.

Kurieren am Symptom

Ich finde, eine solche Maßnahme setzt am falschen Punkt an. Ist es, wie gerade mit einem Moderator des SWR diskutiert, nicht eigentlich das Eingeständnis, dass Kinder UND Karriere eigentlich doch nicht unter einen Hut zu kriegen sind? Ich denke, das Hauptproblem liegt darin, dass zwar schon einiges unternommen wird: Kitas werden gefördert, Frauen wird offensiver Teilzeit angeboten. Aber in vielen Fällen ist es noch immer vor allem ein Problem der Frauen, die mit dem Vereinbarkeitsspagat irgendwie klarkommen sollen.

Präsenzorientierung und ungleiche Lastverteilung

Was in den meisten Fällen heißt: sehr viel in einen Tag zu packen, extrem gut organisiert zu sein, eigentlich nie krank sein zu dürfen, in der Zeitplanung immer »auf Kante« genäht zu sein. Und vor allem wenig Zeit für sich selbst und das Networking zu haben, das für das berufliche Fortkommen so wichtig ist. Wo werden die interessanten Gespräche geführt, bei dem »man« auch mal mit dem Hauptabteilungsleiter ins Gespräch kommt? Nach der Strategiesitzung am Abend beim Umtrunk – wenn die teilzeitarbeitende Gruppenleiterin schon auf dem Weg zum Kinderhort ist oder eben noch schnell im Supermarkt das Abendessen auf das Kassenband schmeißt. Hand aufs Herz: Macht wirklich der Karriere, der seine Arbeit pünktlich und eventuell sogar geräuschlos von daheim aus erledigt, oder der, der abends nach dem Chef das Licht ausmacht? Das, was gemeinhin mit »Präsenzorientierung« beschrieben wird, nämlich die selbstverständliche Organisation von Arbeit und Kommunikation um die Mitarbeiter und Kollegen in meinem direkten Zugriff »herum«, ist noch immer ein dominantes Verhalten. Wo Zeit knapp ist und Aufmerksamkeit eine wichtige Währung, ist es eben genau auch diese »face time«, die zählt.

Anreizsysteme und Vorbildverhalten wirken

Es gibt gute Wege, Arbeit UND Familie, Kind UND Karriere zu vereinen. Wenn es als eine gemeinschaftliche und auch partnerschaftliche Aufgabe verstanden wird, die von Müttern und Vätern gemeinsam geschultert wird. Wenn es, wie z.B. beim Weltunternehmen Bosch, als Karrierebaustein angerechnet wird, wenn Elternzeit genommen wird. Wenn, wie in immer mehr Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen, Kinderhortplätze angeboten werden. Wenn auch Vorstandsvorsitzende merken, dass Frauen mit einem 80%-Arbeitsvertrag eine richtig gute Führungskraft sein können. Und das auch in ihrem Unternehmen realisieren – spätestens dann, wenn die eigene Tochter von entsprechenden beruflichen Erfahrungen berichtet. Familienarbeit ist für die Gesellschaft wichtig und darf deshalb nicht allein von Frauen organisiert, geschultert und verantwortet werden.

Anerkennung und Wertschätzung wirken

Die betriebliche wie gesellschaftliche Anerkennung ist ebenfalls wichtig. Wie meinte neulich eine Interviewte auf einem Podium zum Thema Diversity so schön: »Wenn Frauen Teilzeit machen, um die Kinder zu umsorgen, sind sie für die Abteilung ein Organisationsproblem. Wenn der Minister Gabriel einen Nachmittag pro Woche seine Tochter hütet, kriegt er eine Schlagzeile«. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Josephine Hofmann

Leitet das Team »Zusammenarbeit und Führung« und forscht zum Thema Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Bloggt am liebsten im Zug und nach inspirierenden Veranstaltungen und Begegnungen.

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