»Neues Kontroll-Gesetz: Regierung will unseren Strom rationieren« (BILD-Zeitung, 28.11.2023), solche Schlagzeilen können einem morgens wirklich den Kaffee vermiesen – doch was steckt dahinter? Die zitierte Überschrift bezieht sich auf §14a EnWG, wonach Netzbetreiber den Strombezug von Verbrauchsanlagen jetzt dimmen dürfen. Kann uns zukünftig also tatsächlich einfach der Strom abgestellt werden? Ein Realitätscheck.

Zum 01.01.2024 ist die neue Festlegung der Bundesnetzagentur (BNetzA) zum §14a EnWG in Kraft getreten. Die Regelungen ermächtigen bzw. verpflichten Netzbetreiber, den Strombezug sog. steuerbarer Verbrauchseinrichtungen wie Wallboxen oder Wärmepumpen temporär zu dimmen. Die Grundidee ist dabei nicht neu. Eine Anlagensteuerung durch Netzbetreiber ist seit 2011 möglich, jedoch bislang nur, wenn Verbrauchende und Netzbetreiber dies freiwillig in einem gesonderten Vertrag vereinbart haben. Der enorme Zuwachs bei Wärmepumpen und der Ausbau der Elektromobilität stellt die Verteilnetze allerdings vor große Herausforderungen, denn: Diese Anlagen verbrauchen mehr Strom als normale Haushaltsgeräte und das oftmals auch noch gleichzeitig. Da sich der flächendeckende Netzausbau zeit- und kostenintensiv gestaltet und zudem durch den Fachkräftemangel gebremst wird, kann unsere Netzinfrastruktur nicht mit dem Tempo der Verkehrs- und Wärmewende mithalten. Als Konsequenz müsste man Verbrauchenden Anschlussgenehmigungen für neue Anlagen verweigern – was in manchen Gebieten bereits heute der Fall ist. Vor diesem Hintergrund wurden in den neuen Vorschriften Verbrauchsanlagen definiert, welche nun von den Netzbetreibern netzorientiert gesteuert werden dürfen. Darunter fallen private Wallboxen, Wärmepumpen, Klimaanlagen und Stromspeicher im Niederspannungsnetz, welche ab 01.01.2024 in Betrieb genommen werden, mit einer elektrischen Leistung über 4,2 kW. Denn das entspricht der Mindestleistung, die jeder Anlage zu jeder Zeit vom Netzbetreiber weiterhin zugesichert ist – auch im Falle einer notwendigen Reduzierung des Strombezugs. Eine vollständige Abschaltung ist also nicht zulässig. Der reguläre Haushaltsstrom ist von §14a nicht betroffen.

Wie sieht also nun eine solche Dimmung aus? Wann und wie dürfen Netzbetreiber steuernd eingreifen?

Netzbetreiber dürfen nur in Notfällen eingreifen, d. h. wenn ein drohender Netzengpass festgestellt wird. Idealerweise erfolgt diese Feststellung auf Basis von aktuellen Messungen und Netzmodellberechnungen (netzorientiertes Steuern). Da die erforderliche Messtechnik jedoch überwiegend noch nicht eingesetzt wird, können Steuerungsvorgänge bis Ende 2028 auch aufgrund rechnerischer Ermittlungen präventiv erfolgen (präventives Steuern). Wird nach diesen Vorgaben eine drohende lokale Überlastung des Netzes ermittelt, gibt es zwei Möglichkeiten: Der Anlagenbetreibende bekommt entweder einen gebundenen Sollwert je Anlage (entspricht einer Direktansteuerung) oder einen gesamthaften Sollwert für alle Anlagen zugeteilt. Im zweiten Fall können die Anlagen mittels Energiemanagementsystem vom Betreibenden individuell gedimmt werden, denn entscheidend ist lediglich die Reduzierung des sog. netzwirksamen Leistungsbezugs. Einfach ausgedrückt: Dem Netzbetreiber ist die Aufteilung des Strombezugs hinter dem Netzanschlusspunkt egal. Wenn bspw. gerade das E-Auto mit eigenem PV-Strom geladen wird, kann dieser Strom auch während eines Dimm-Vorgangs weiterhin verwendet werden (siehe Abbildung). Der Betreibende muss gewährleisten, dass die betroffenen Anlagen mit den notwendigen technischen Einrichtungen nach den Vorgaben des Netzbetreibers ausgestattet werden und stets steuerbar sind. Ein separater Zählpunkt ist dafür nicht erforderlich. Laut Klaus Müller, Chef der BNetzA, sollen die Eingriffe der Netzbetreiber die seltene Ausnahme bleiben und nur als »ultima ratio« zulässig sein. Die Steuerung selbst darf dabei nur so lange und in dem Maße wie erforderlich durchgeführt werden. Zudem sollen Netzbereiche, die von Eingriffen betroffen sind, priorisiert ausgebaut werden.

Abbildung Aufteilung Strombezug. © Fraunhofer IAO

© Fraunhofer IAO

Welche Konsequenzen ergeben sich für Verbrauchende im Falle einer Dimmung?

Mit 4,2 kW können Wärmepumpen weiter betrieben und E-Autos in zwei Stunden für ca. 50 km geladen werden. Der Komfortverlust sollte sich also in Grenzen halten, im Best Case werden Verbrauchende die Steuerung gar nicht bemerken – d. h. doch: Bei der Reduktion ihrer Netzentgelte, die sie auf Basis der Steuerungsmöglichkeit (unabhängig vom tatsächlichen Eingriff) als Gegenleistung erhalten. Ab 2025 sollen zudem zeitvariable Netzentgelte angeboten werden. Diese sollen einen Anreiz geben, verschiebbare Verbräuche freiwillig in Zeitfenster geringerer Stromnachfrage zu verlegen, um damit die Netze zu entlasten.

Neben der Entgeltreduzierung hat die Neuregelung für Verbrauchende aber auch einen weiteren konkreten Vorteil: Netzbetreiber dürfen den Anschluss und die Nutzung von Verbrauchsanlagen ab jetzt nicht mehr aufgrund von Netzengpässen verzögern oder ablehnen. Anlagen, die vor dem 01.01.2024 in Betrieb genommen wurden, können im Übrigen auf freiwilliger Basis ebenfalls für die Steuerung nach den neuen Regelungen angemeldet werden.

Dass der §14a EnWG insgesamt gut überlegt und ausgestaltet ist, kommt nicht von ungefähr. Die BNetzA hat im letzten Jahr mittels zweier Konsultationsverfahren die Meinungen und Einschätzungen der Branche und interessierten Öffentlichkeit zu ihren Ausgestaltungsüberlegungen eingeholt und diese auch entsprechend eingearbeitet.

Fazit

Zusammengefasst lässt sich festhalten: Der neu ausgestaltete §14a EnWG soll eine Beschleunigung der Energiewende bei gleichzeitiger Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Niederspannungsnetz, ohne nennenswerten Komfortverlust, ermöglichen. Ich würde daher nicht von einem »Kontrollgesetz« sprechen, sondern vielmehr von einem »Ermöglichungsparagraphen« (um ein Gesetz handelt es sich hierbei ja sowieso nicht). Jedenfalls werde ich für meinen Teil zukünftig – anstatt mich über polemische Schlagzeilen aufzuregen – morgens lieber öfter den Fraunhofer IAO-Blog lesen, dann schmeckt der Kaffee gleich doppelt so gut.

Leselinks:

Ines Sturz

Ines Sturz arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich »Smart Energy and Mobility Solutions« mit Schwerpunkt Elektromobilität.

Autorenprofil - Website - LinkedIn



Kategorien: Digitalisierung, Nachhaltigkeit
Tags: