Feinfühlige Technik – Blogreihe des Teams »Applied Neurocognitive Systems«
Im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz nimmt die Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine eine Schlüsselrolle ein. Neuroadaptive Technologien versprechen große Potenziale sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis. Im NeuroLab des Fraunhofer IAO arbeiten die Wissenschaftler*innen an der Schnittstelle zwischen kognitiver Neurowissenschaft, positiver Psychologie und künstlicher Intelligenz. Unser Ziel ist es, die zunehmende Intelligenz und den steigenden Grad an Autonomie technischer Systeme konsequent auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Menschen auszurichten.

Wearables sind längst Teil unseres alltäglichen Lebens geworden, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind: Die Smartwatch am Handgelenk oder der Fitnesstracker sind nützliche Begleiter im Alltag und bieten uns zugleich einen Zugang zu einer Vielzahl von Daten. Die Sensorik der Wearables ist bereits sehr vielfältig, sowohl was die Mechanik angeht als auch die Möglichkeiten der Datenerfassung. Physische Sensoren zur Messung der Umgebung und physiologische Sensoren zur Erfassung des eigenen Zustandes können dabei helfen, Zusammenhänge zwischen äußeren Bedingungen Wohlbefinden zu erkennen und zu verstehen.

Anwendungsbereich Gesundheit: »Vorsicht ist besser als Nachsicht« – Gesundheitliche Notfälle vorbeugen durch Früherkennung

Viele Menschen sind in der heutigen Zeit mit verschiedenen gesundheitlichen Herausforderungen konfrontiert, sei es aufgrund von Stress, ungesunder Lebensweise oder genetischen Faktoren. Es ist daher wichtiger denn je, auf unsere Gesundheit zu achten und mögliche gesundheitliche Notfälle frühzeitig zu erkennen. Wearables können uns dabei unterstützen, gesundheitliche Probleme zu erkennen und rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen.

Menschen mit Herzrhythmusstörungen, einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle oder chronischen Erkrankungen wie Epilepsie, können von Wearables profitieren. Diese Geräte sind in der Lage, kontinuierlich den Herzrhythmus zu überwachen und bei Unregelmäßigkeiten sofort Alarm zu schlagen. Dadurch kann in Notfällen schnell Hilfe herbeigerufen werden, was potenziell lebensrettend sein kann.

Wearables ermöglichen auch die Früherkennung chronischer Erkrankungen. Durch die kontinuierliche Überwachung verschiedener Parameter können Anomalien oder Veränderungen im Körper frühzeitig erkannt werden, beispielsweise bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Parkinson. Frühdiagnosen ermöglichen eine rechtzeitige Behandlung und können den Verlauf der Krankheit positiv beeinflussen. Durch die kontinuierliche Überwachung und Früherkennung können wir proaktiv handeln, mögliche Risiken minimieren oder sogar verhindern.

Anwendungsbereich Psychologie: Eigene Grenzen beobachten und verstehen

Wer erinnert sich daran, wie man sich als Kind gefreut hat, wenn man einen neuen Strich an der Wand ziehen konnte, weil man einen Zentimeter gewachsen war? Menschen streben nicht nur nach der Quantifizierung ihrer Umwelt durch Zahlen, sondern finden auch Selbstbeobachtung ihres eigenen Körpers erstrebenswert und belohnend. Durch die Vermessung des eigenen Zustands kann Motivation entstehen und Grenzen können gelernt und besser verstanden werden. Wearables bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, um die Selbstbeobachtung des Körpers zu unterstützen und zu fördern. Sie können uns dabei helfen, unsere körperlichen Aktivitäten, den Schlaf, den Herzrhythmus und vieles mehr zu überwachen und zu analysieren. Durch die Visualisierung und Aufzeichnung dieser Daten können wir unseren Lebensstil besser reflektieren und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.

Darüber hinaus können Wearables auch unterhaltsame Funktionen bieten. Viele Geräte sind mit Apps und Spielen verbunden, die uns dazu motivieren, aktiv zu bleiben und uns körperlich zu betätigen. Zum Beispiel können wir durch virtuelle Challenges oder Wettbewerbe mit Freunden und Familie unsere Fitnessziele verfolgen und uns gegenseitig anspornen, oder uns bei Sport und Freizeit mit unserem individuellen Musikprogramm begleiten lassen.

Anwendungsbereich Wirtschaft: Tennisarm beim Job vermeiden

In der Stress- oder Belastungsforschung unterscheidet man zwischen objektiven Belastungen bei der Arbeit und subjektiven Beanspruchungen. Eine Belastung definiert man als die Einflüsse, die sich auf einen Mitarbeitenden auswirken, wohingegen eine Beanspruchung die Reaktion eines Mitarbeitenden auf diese Belastung beschreibt. Diese Beanspruchungen lassen sich zu einem gewissen Maß durch eigene Einschätzungen und äußerliche Beobachtungen erfassen, aber es gibt auch Beanspruchungen, die Menschen auf Nachfrage bewusst oder unbewusst nicht angeben. Wearables können dabei helfen, geistige und körperliche Ansprüche an den Körper und das Gehirn zu erfassen und Feedback über den eigenen Zustand zu geben. So lassen sich Überbeanspruchungen vermeiden, also beispielsweise dass eine Tätigkeit zu lang von jemandem ausgeführt wird, obwohl dessen Beanspruchung in diesem Bereich ihre Grenze überschritten hat. Um so etwas zu verhindern, kann sich ein Mitarbeitender stattdessen sich auf andere Aufgaben konzentrieren und ausgewogen bis zu den eigenen Grenzen arbeiten, die durch ein Wearable aufgezeigt werden können.

Innerhalb des Forschungsprojekts »proRotation« entwickeln das Fraunhofer IAO und das IAT der Universität Stuttgart gemeinsam mit den Anwenderunternehmen Wachendorff und PR-Tronik, dem Technologieanbieter Syslog und der Kanzlei Datenschutz Krüger einen digitalen Assistenten, der eine dynamische Jobrotation, basierend auf dem körperlichen und geistigen Zustand der Mitarbeitenden, ermöglichen soll.

Sicherheit und Risiken bei Nutzung von Wearables

»Ich habe die AGB gelesen und akzeptiere sie.« Das ist wahrscheinlich die größte Lüge des Internets. Wie bei allen Interaktionen mit digitalen Geräten gehen auch mit der Nutzung von Wearables im Alltag bestimmte Risiken einher. Wearables bieten zwar viele Möglichkeiten, seine eigene Gesundheit und Leistung mit realen Zahlen zu verknüpfen, jedoch sollte der Träger oder die Trägerin eines Wearable darauf achten, diese besonders schützenswerten Daten abzusichern. Die Vergabe von Passwörtern, PINs, und Zugriffsrechten ist nicht nur empfohlen, sondern ein Muss, wenn man das Risiko für einen Angriff und das Abgreifen der eigenen Daten minimieren möchte.

In einem Blogbeitrag erklärt das Bundesamt für Informationssicherheit (BSI) ausführlich, dass Wearables nur bewusst eingesetzt werden sollten. Während die Anwendung der Geräte im Gesundheitswesen und der Forschung sinnvoll und rechtlich abgesichert ist, muss der Privatnutzer selbstständig auf seine Daten achten. Nicht nur dem Datenschutz sollte man bewusst Aufmerksamkeit schenken, wenn man Wearables nutzt, sondern sich auch überlegen, was man aus den persönlichen Erkenntnissen macht, die Wearables tagtäglich liefern. Auch wenn es freut, dass man seine eigenen Grenzen, Fähigkeiten und den Einfluss seiner Umgebung auf diese besser verstehen lernt, darf man eines nicht aus den Augen verlieren: Ein Wearable sollte den Menschen bei diesem sogenannten Self-Tracking unterstützen, nicht steuern. Eine gesunde Skepsis gegenüber beobachteten Mustern in den Daten und verantwortungsbewusster Umgang mit den Ergebnissen dieser Selbstbeobachtung ist essenziell für den sicheren Umgang mit Wearables.

Fazit:

Wearables bieten einen objektiven Weg, den eigenen Körper und Verstand besser zu verstehen in alltäglichen Situationen. Sie können Menschen aktiv dabei unterstützen, eigene Grenzen besser zu kennen, Fähigkeiten gezielt auszubauen und Gesundheit zu erfassen. Unter der Voraussetzung eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Daten können Wearables meiner Meinung nach zu einem hohen Maß zur eigenen Lebensqualität beitragen.

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Anna Vorreuther

Neurowissenschaftlerin im Team »Applied Neurocognitive Systems«. Sie erforscht den Einsatz von Technik mit multimodaler Sensorik zur Erfassung kognitiver Prozesse während zwischenmenschlicher Interaktion. In ihrer Freizeit begeistert sie außerdem Tauchen und Gaming.

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